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Archiv-Artikel

Arnsberg schluckt auf

Eine Studie weist nach: Die Bevölkerung von Arnsberg hat ungewöhnlich viel PFT im Körper. „Kein Grund zur Panik“, sagt Umweltminister Uhlenberg. Naturschützer werfen ihm „Verharmlosung“ vor

VON DIRK ECKERT

Die Einwohner von Arnsberg im Hochsauerlandkreis sind offenbar stark mit PFT belastet. Ein dreiviertel Jahr, nachdem die Industriechemikalie dort im Trinkwasser entdeckt worden war, sind erhöhte Konzentrationen im Blut der dortigen Bevölkerung nachgewiesen worden.

Nach einer Studie, die NRW-Umweltminister Eckhard Uhlenberg (CDU) gestern in Arnsberg vorstellte, sind die entsprechenden Werte der PFT-Verbindung Perfluoroctansäure (PFOA) im Blut fünf- bis acht Mal höher als gewöhnlich. Für die Studie wurden 700 Kinder, Frauen und Männer untersucht. Die Hälfte ist aus Arnsberg und hatte PFT-verseuchtes Wasser getrunken. Die andere Hälfte kommt aus Brilon und Siegen.

Im Sommer 2006 waren überraschend hohe Dosierungen von Perfluorierten Tenside (PFT) in den Flüssen Ruhr und Möhne entdeckt worden, aus denen Trinkwasser gewonnen wird. Als Verursacherin gilt inzwischen eine Düngemittelfirma, die Industriemüll unter ihre Düngemittel gemischt haben soll. PFT wird wegen seiner wasserabweisenden Eigenschaften in der Papier-, Leder- und Fotoindustrie verwendet.

Welche Folgen die nun entdeckten höheren Werte für die Betroffenen haben, ist unter Wissenschaftlern umstritten. PFT bleibt lange im Körper und steht im Verdacht, Krebs auszulösen. NRW-Umweltminister Uhlenberg warnte gestern jedoch vor Panik. „Nach dem derzeitigen Stand des Wissens besteht für die Bevölkerung aus Arnsberg mit sehr großer Wahrscheinlichkeit kein gesundheitliches Risiko“, sagte er. Trotzdem seien die hohen PFOA-Werte „bedauerlich und nicht akzeptabel“; betonte der Minister. Die Verantwortung dafür trage aber „einzig und allein“ der Düngemittelhersteller mit seinem „rücksichtlosen Verhalten“.

Naturschützer widersprechen Uhlenberg vehement. „Verharmlosen ist hier nicht angebracht“, kritisierte Paul Kröfges vom Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) in NRW. „Die Studie bestätigt die schlimmsten Befürchtungen.“ Verantwortlich sei nicht nur eine einzelne Firma, sondern die gesamte Chemieindustrie. „PFT muss jetzt ganz verboten werden“; forderte Kröfges. „Sonst kommt bald der nächste Skandal.“ Die Grünen im Landtag forderten Uhlenberg auf, die Untersuchung auch auf Kleinkinder und Säuglinge auszuweiten. Schließlich sei PFT auch in der Muttermilch in erhöhter Konzentration nachgewiesen worden, so der Parlamentarische Geschäftsführer der Landtagsfraktion, Johannes Remmel.

In Arnsberg wird das Trinkwasser inzwischen mit Aktivkohlefiltern gereinigt. „Die Ergebnisse sind positiv, die Sanierung greift“, sagte ein Sprecher der Bezirksregierung der taz. Umweltminister Uhlenberg bot den von PFOA Betroffenen aus Arnsberg eine Nachuntersuchung in vier bis fünf Monaten an. Die Studie soll bis Ende des Monats in voller Länge veröffentlicht werden.