: Der Bárdarbunga rumpelt gewaltig
ISLAND Eisbedeckter Vulkan im Südosten der Insel droht auszubrechen. Fast minütlich sind Beben zu verzeichnen. Behörden verhängen Alarmstufe Orange für Flüge im Vulkangebiet, sperren Straßen, informieren Touristen
VON REINHARD WOLFF
STOCKHOLM taz | Die Luftfahrtbehörde Islands geht auf Nummer sicher: Am Samstag verhängte sie in einem Radius von rund 200 Kilometern um den Bárdarbunga Alarmstufe Rot – Flugverbot –, stufte die Warnung dann aber am Sonntagnachmittag auf Orange zurück.
Vor über einer Woche hat es in dem Vulkan gewaltig zu rumoren begonnen, seither wächst die Gefahr eines Ausbruchs. 858 Erdstöße verzeichneten die Behörden am Samstag, am Sonntag fast jede Minute einen. Ein Ausbruch sei jederzeit möglich, akute Anzeichen gebe es im Moment aber noch nicht, hieß es.
Sollte es dazu kommen, drohen zunächst vor allem Überschwemmungen und Flutwellen des mit Gletschereis bedeckten Bárdarbunga. Die Bauern haben ihre Schafe zusammengetrieben, damit diese nicht ertrinken; die Behörden sperrten Straßen und ordneten vorsorglich an, die Gebiete nördlich des Vulkans zu evakuieren. Touristen, die dort unterwegs sein könnten, wurden per SMS gewarnt.
Wie dramatisch so eine subglaziale Eruption die Landschaft der Region verändern kann, erlebten die Isländer zuletzt im Jahre 1996. Damals entleerte sich infolge eines Ausbruchs im Vulkansystem des Grimsvötn ein See, der unter dem Gletscher lag. Die gewaltige Flutwelle riss Straßen und Brücken mit sich. Der „Jökulhlaup“ („Gletscherlauf“) war vermutlich durch ein heftiges Erdbeben beim benachbarten Bárdarbunga ausgelöst worden. Damals war eine Stärke von 5,5 auf der Richter-Skala gemessen worden. Am Sonntagmorgen erreichten die Erdstöße bereits bis Stärke 5,3.
Diese Beben haben eine Verbindung zu intensiven Bewegungen des Magmas, das sich sowohl nach oben wie seitlich bewegt, sagt Sigprúdur Ármannsdóttir, Vulkanexpertin beim meteorologischen Institut „Vedurstofa Íslands“. Das Institut warnt im Falle einer größeren Eruption vor einem Gletscherlauf mit bis zu 20.000 Kubikmetern Wasser pro Sekunde und bis zu 10 m hohen Eisbergen. Aufgrund des Aufeinandertreffens von Magma und Eis befürchten Experten auch eine explosive, „plininanische Eruption“ – benannt nach Plinius, dem Chronisten des Untergangs von Pompeji. Dabei würde die Asche des Bárdarbunga mehrere Kilometer hoch in die Luft geschleudert und weitflächig verbreitet.
Nicht nur in Island ist die Erinnerung noch frisch: Vor vier Jahren war es ganz ähnlich beim Ausbruch des Eyjafjallajökull zugegangen. Damals war der Luftverkehr in weiten Teilen Europas und Nordamerikas tagelang fast vollständig lahmgelegt; mehr als 100.000 Flüge fielen aus.
Aufgrund seiner geografischen Lage auf dem mittelatlantischen Rücken, an dem sich die nordamerikanische und die eurasische Kontinentalplatte treffen, ist Island eine Vulkaninsel. Es gibt rund 30 aktive Vulkane, und in den letzten 500 Jahren standen diese für etwa ein Drittel des globalen Lava-Austritts.
Seinen Namen hat der Vulkan von Bárdur Bjarnason, einem Siedler, der sich um das Jahr 900 im Norden der Insel niedergelassen hatte. Damals war das Klima deutlich wärmer. „Bunga“ ist isländisch für Beule, Hügel, Höhe. Warum der Berg nach ihm benannt wurde, ist unklar. Jedenfalls entschloss sich die Familie nach einigen Jahren, von Nordisland an die Südküste zu ziehen. Der Weg, den sie über das Hochland vorbei am Vatnajökull-Gletscher nahm, heißt noch heute Bárdargata, „Weg des Bárdur“.