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Raus aus dem Kulturloch

Bislang existiert die European Kunsthalle Köln lediglich als virtuelle Institution ohne Ort. Dennoch gibt es nun mit „Modelle für Morgen: Köln“ eine erste Ausstellung – in Tankstellen und Fitness-Clubs

AUS KÖLN KATJA BEHRENS

Am Kölner Hauptbahnhof schlägt dem Besucher der European Kunsthalle vor dem ersten Kunstwerk zuerst das blanke Leben entgegen. Eine Gruppe aus fliegender Händler, nichtblonden Männer und langberockten Frauen werden in Handschellen mit dem Gesicht zur Wand aufgereiht und durchsucht. Es gibt durchaus Kunst, die auch diese Facetten des modernen Lebens nicht ignoriert, sondern zum Anlass ihrer Interventionen nimmt. Doch für die internationale Kunst, die sich momentan in der Stadt ausbreitet, braucht man eine andere urbane Wirklichkeit. Enttäuschend, dass das mögliche politische Potential der ortsbezogenen temporären Arbeiten an kunstfernen Plätzen der ehemaligen Kunstmetropole eine so geringe Rolle spielt. Es geht nämlich um etwas ganz anderes.

Nach dem Abriss der Josef-Haubrich-Kunsthalle war 2002, initiiert durch den Verein „Das Loch e.V.“, die European Kunsthalle in Köln gegründet worden. Seither will sie „das kulturelle Vakuum in der Stadt mit einer Vielzahl von Aktivitäten“ füllen, hat sich vor allem diskursiv mit der Zukunft und Verantwortung von Kunstinstitutionen befasst. Die grundsätzlichen Fragen zum institutionellen wie faktischen Ort einer neuen Kunsthalle und ihrer Öffentlichkeit münden jetzt in eine erste Ausstellung mit dem vielversprechenden Titel „Modelle für Morgen: Köln“. Gründungsdirektor Nicolaus Schafhausen und die Kuratorinnen Vanessa Joan Müller und Julia Höner haben 21 internationale Künstlerinnen und Künstler eingeladen, über die mögliche Zukunft einer solchen neuen Institution in Köln nachzudenken. Auf dem ringförmigen Parcours durch die Innenstadt findet sich an den verschiedensten nicht- und öffentlichen Orten bis Ende April Kunst. In U-Bahn-Stationen, Archiven, Schalterhallen, Hotels, Tankstellen, Stromkästen, Internet-Shops, in Kirchen, Banken und Sportstudios. Nicht für den Verkauf oder zur reinen Dekoration, sondern einfach um da zu sein. Um aktiv für sich selbst zu werben, um nach einem Ausweg zu suchen aus der prekären Situation, in die leere Stadtkassen und fehlendes kulturpolitisches Engagement die Künstler zwingen. Leider ist es oftmals Kunst für Eingeweihte.

Das übliche Kunstpublikum findet die bekannten Formate Video, Schrift, Objekte und Collagen eben diesmal an anderen, vielleicht abenteuerlicheren Orten. Doch Lawrence Weiners lapidare Textinstallation am U-Bahnabgang im Kölner Hauptbahnhof ist, wenn man nicht schon weiß, wonach man sucht, eben auch leicht zu übersehen. Der amerikanische Konzeptkünstler hat mit seinem Entwurf quasi den Slogan für das gesamt Projekt der ortlosen Kunsthalle gefunden: Es spielt keine Rolle, wo die beliebig großen white cubes platziert werden.

Auch andere Arbeiten wie die Leuchtschriftzüge des Rotterdamer Künstlerduos Bik van der Pol in einer Tankstelle oder Erik van Lieshouts kleine Zeichnungen „Kunsthalle Hollywood“ in einem Fitnessstudio müssen gezielt gesucht werden, sonst verpasst man den Niederländer schlichtweg. Und noch schlimmer: Der Film des New Yorker Architekturkünstlers Vito Acconciim kleinen Call-Café funktionierte schon seit Tagen nicht mehr.

Das gesamte Projekt zeigt keine überzeugenden Modelle für die Zukunft auf. Dennoch könnte es in der Heterogenität seiner Einzelteile modellhaft wirken. Exemplarisch für die gewünschte Offenheit der Institution, für die neuen Formate, in denen Kunst sich erproben kann und vielleicht sogar ein anderes Publikum zu gewinnen vermag. Neu ist das nicht und auch nicht leicht vermittelbar. Aber besser als nur auf die Architektur-Ausschreibung zu warten. Da Köln offensichtlich nicht mit einem derart prestigebewussten Ober-Patron wie Düsseldorf gesegnet ist, scheint der Aktionismus angebracht – was schadet es also, wenn man sich mit großen Namen schmückt und dabei wehmütig auf die eigene glorreichere Geschichte als europäische Kunstmetropole zurückblickt?

„Modelle für Morgen: Köln“ Bis 28. April 2007 www.kunsthalle.eu

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