: „Wir sind nicht zuständig“
Der bayerische Wirtschafts-Präsident Randolf Rodenstock sieht den Staat bei der Finanzierung der Schulen in der Pflicht – die Leitung sollen private Träger übernehmen
RANDOLF RODENSTOCK, 58, ist Unternehmer und Präsident der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw). Als Kuratoriumsmitglied der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft schrieb er das Buch „Chancen für alle“. FOTO: PRIVAT
taz: Herr Rodenstock, Sie fordern radikale Reformen im Bildungswesen. Woran mangelt es den jungen Leuten, die von der Schule kommen?
Randolf Rodenstock: Es mangelt schon mal daran, dass wir zu wenig Studenten unter den Schulabgängern haben. Bei Haupt- oder Realschülern müssen wir feststellen, dass viele nicht in der Lage sind, eine ordentliche Lehre zu absolvieren. 20 Prozent eines Jahrgangs sind nicht berufsbildungsfähig.
Was heißt das?
Sie haben teils nicht die notwendigen kognitiven Fähigkeiten, können nicht anständig lesen, schreiben und rechnen. Auch die sozialen Kompetenzen sind unterentwickelt, es mangelt an Pünktlichkeit und Höflichkeit.
Gibt es in Deutschland genug Jobs für Hochqualifizierte?
An Fachkräften und gut ausgebildeten Leuten mangelt es an allen Ecken und Enden. Und in Zukunft wird es noch enger. Wir werden in 20 Jahren 10 Millionen Erwerbstätige weniger haben – da muss jeder optimal qualifiziert sein.
Hätten private Träger nur Einfluss auf die Lehrerauswahl – oder sollen sie die Schulen komplett übernehmen?
Wir müssen den Schulen mehr Autonomie gewähren. Bei der Auswahl der Lehrer genau wie bei der Gestaltung der Unterrichtsmethoden. Wenn wir die finanziellen Möglichkeiten erweitern, sind wir ohnehin im privaten Bereich. Es kommt darauf an, mehr Wettbewerb und Experimente zuzulassen. Da eignen sich Privatisierungen besonders.
Sollen Schulen denn auch Profit machen?
Warum nicht? Aber privat kann auch gemeinnützige Trägerschaft bedeuten, es muss nicht gewinnbringend sein.
Nach dem Bildungsforscher Dieter Lenzen wären für die Bildungsreform 30 Milliarden Euro pro Jahr zusätzlich notwendig. Wer soll das bezahlen?
Das ist eine staatliche Aufgabe. Bei den staatlichen Ausgaben gibt es zum einen Einsparpotenziale, zum anderen wird an den falschen Stellen investiert. Das müssen wir umschichten. Es ist skandalös, dass in Deutschland sechsmal so viel für Soziales ausgegeben wird wie für Bildung. Wenn die Bürger jung sind und entwicklungsfähig, steckt der Staat zu wenig Geld und Energie in die Ausbildung ihrer Talente. Dafür versucht er dann später mit einem Riesenaufwand die entstandenen Defizite zu heilen.
Die Wirtschaft hat das Gutachten „Bildungsgerechtigkeit“ angestoßen. Was ist der Beitrag der Wirtschaft zur Reform?
Wir sind nicht für Schulen zuständig. Wir geben Anstöße dazu, dass der Standort Deutschland in Zukunft auch noch in der Lage ist, seine Brötchen zu verdienen. Wenn wir merken, dass wir international nur noch eine mittlere Position einnehmen, obwohl wir die teuersten sind, dann ist doch klar, dass wir Gas geben müssen.
Sie fordern, mehr Krippenplätze einzurichten. Was tut die Wirtschaft dafür? Betriebskindergärten einrichten?
Wo es sinnvoll ist, geschieht das bereits. Da gibt es auch ein Eigeninteresse der Unternehmen, die Mütter im Beruf zu halten. Der Bildungsbeitrag der Unternehmen ist ganz erheblich, zum Beispiel bei der Lehrlingsausbildung und innerbetrieblichen Weiterbildungen.
Wie schnell kann man das Bildungssystem radikal umbauen? Bislang gibt es weder die Einrichtungen noch die Lehrer dafür.
Man wird mehr Lehrer ins System stecken müssen. Wir müssen den Kindern mehr Zeit und mehr Förderung zukommen lassen. Das ist nicht von heute auf morgen zu bewältigen, umso wichtiger ist es aber, sobald wie möglich damit anzufangen. Wir haben schon viele Jahre verloren. INTERVIEW: MARTIN MÜLLER