: Aufstehen statt Aussitzen
Rena Tangens vom Verein Digitalcourage kämpft mit dem Bündnis „Freiheit statt Angst“ für Datenschutz: Am Samstag werden Tausende Aktive zur Demo in Berlin erwartet
Wer noch helfen möchte: Digitalcourage stellt Mobimaterial. ■ 30. August Demo ab 14 Uhr, Start am Brandenburger Tor, danach Bühne auf der Straße des 17. Juni ■ freiheitstattangst.de Und danch: Verschlüsseln lernen ■ cryptoparty.in/berlin
INTERVIEW ANNE DITTMANN
taz: Frau Tangens, was tun Sie, um Ihre persönlichen Daten zu schützen?
Rena Tangens: Ich benutze alternative Suchmaschinen wie Ixquick oder Startpage. Google hat derzeit einen Marktanteil von 94 Prozent bei Suchanfragen. Viele Menschen nutzen auch seine Maps, Gmail und das Android-Betriebssystem. Damit hat das Unternehmen quasi eine Monopolstellung. Wenn ich unerkannt recherchieren will, nutze ich das Anonymisierungsnetzwerk Tor. Außerdem verschlüssele ich meine E-Mails. Das kann ich jedem empfehlen.
Vom Verschlüsseln hört man immer wieder. Nur wissen Einsteiger oft nicht, wie das geht.
Am besten nutzen Sie das Verschlüsselungsprogramm Pretty Good Privacy (PGP). Das Prinzip ist einfach: Sie erstellen für Ihre E-Mail ein Schlüsselpaar. Mit dem einen Schlüssel wird die Mail verschlüsselt. Und mit dem anderen kann die Mail wieder ausgepackt werden. Der private Schlüssel bleibt geheim, aber den öffentlichen Schlüssel können Sie verteilen. E-Mail-Partner können dann eine E-Mail mit dem öffentlichen Schlüssel verpacken und an Sie schicken. Die Mail kann aber nur mit Ihrem privaten Schlüssel geöffnet werden.
Das müsste mir trotzdem jemand genauer erklären.
Sagt Ihnen das Wort Cryptoparty etwas? Die gibt es überall auf der Welt: Jeder, der lernen möchte, wie man seine E-Mails verschlüsselt, kann mit seinem Laptop zu so einer Veranstaltung gehen und es sich erklären lassen. Am Freitag ist beispielsweise wieder eine Cryptoparty in Berlin-Mitte.
Wie wichtig ist denn die Vernetzung beim Thema Überwachung?
Keiner kann an der Front alleine etwas erreichen. Darum hat Digitalcourage mit dem Arbeitskreis gegen Vorratsdatenspeicherung das Bündnis „Freiheit statt Angst“ mit vielen EinzelunterstützerInnen und fast 80 anderen Organisationen geschlossen. Darunter Amnesty International, das Whistleblower-Netzwerk und das SO36. Zusammen demonstrieren wir dieses Jahr wieder in verschiedenen Städten Deutschlands. Am Samstag sind wir in Berlin.
Was fordern die Demonstranten?
Wir fordern, dass der grenzenlosen Überwachung Einheit geboten wird. Wir fordern die Bundesregierung auf, Edward Snowden Asyl zu gewähren und ihn als Zeugen zu hören. Die Wirtschaftsbeziehungen zu den USA sind nicht wichtiger als die Freiheit der BürgerInnen in Deutschland. Die Regierung sitzt Probleme aus. Es ist offensichtlich, dass der BND, das MAD und der Verfassungsschutz Menschen in Deutschland überwachen, ohne sich an Gesetze zu halten, und dass sie von den Informationen durch die NSA profitieren und davon auch nicht ablassen wollen. Das darf eine demokratische Regierung nicht tolerieren.
Vielleicht doch. Denn bringt Datenspeicherung nicht auch Vorteile?
Datenspeicherung ist immer gefährlich. Zum Zeitpunkt der Speicherung können wir nicht wissen, in welchem Kontext die Daten später genutzt werden: Als Anfang des 20. Jahrhunderts in Norwegen die Daten von Radiobesitzern gesammelt und nebenbei auch die Religionszugehörigkeit auf Karteikarten geschrieben wurde, konnte man nicht ahnen, dass Nazideutschland Norwegen erobert, sich diese Informationen zu eigen macht und dadurch über 80 Prozent der dort lebenden Juden findet, deportiert und ermordet. Nur Daten, die gar nicht erst gespeichert werden, können nicht missbraucht werden.
Um Menschen aufzuklären, hat Digitalcourage ein Pendant zur goldenen Himbeere entwickelt.
Ja, wir verleihen jedes Jahr die Big Brother Awards – die Oscars für die schlimmsten Datenkraken. Der erste Gewinner war die Payback-Karte.
Warum die Payback-Karte?
Nehmen wir mal an, Sie haben bei Real Rindfleisch im Sonderangebot für Ihren Hund gekauft und die Punkte auf die Karte buchen lassen. Ein Jahr später finden Wissenschaftler heraus, dass eine neue Rinderseuche auch auf Menschen übertragbar ist. Krankenkassen und Lebensversicherungen interessieren sich natürlich sehr dafür, wer verseuchtes Fleisch gekauft hat. Und durch die Kundenkarte ist der Kauf mit ihren persönlichen Daten verknüpft gespeichert.
Bei so vielen Gefahren fühlt man sich wie in einem Tretminenfeld.
Umso wichtiger ist es, dagegen anzugehen und am Samstag mit uns zu demonstrieren. Wir wollen uns nicht nur einzeln durch Verschlüsselung und Co. wehren, sondern die Politik verändern. Wir erwarten viele Menschen, eine bunte Demo, Gäste wie Flying Steps und Qult. Sprechen werden unter anderem der Exbundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar, Rolf Gössner von der Internationalen Liga für Menschenrechte und Vertreterinnen von Amnesty International und Reporter ohne Grenzen. Also: Aufstehen statt Aussitzen!