: Retter für die Resterampe
Nach Werder Bremens 2:0 gegen Celta de Vigo legt sich Torsten Frings mit den motzenden Fans an. Zuvor hatte ein 18-Jähriger die müden Kollegen mitreißen müssen
BREMEN taz ■ Kevin Schindler wird nach dieser Nacht im Weserstadion aufgewacht sein und überlegt haben, ob er alles nur geträumt hat. Ein Blick auf seine rechte Gesäßhälfte hätte ihm auf die Sprünge helfen können: Dort müsste sich ein leicht geröteter Abdruck der rechten Hand von Thomas Schaaf befinden, nach dem Knall zu urteilen, den der Werder-Trainer mit seinem forcierten Klaps nach dem Spiel verursachte. Zusammen mit dem schelmischen Blick kann die Geste als Gefühlsausbruch des zurückhaltenden Fußballlehrers gelten. Und gleichzeitig war damit trainerseitig alles gesagt über das Uefa-Cup-Spiel gegen den spanischen Abstiegskandidaten Celta de Vigo.
Bis nämlich dieser 18-jährige Mittelfeldspieler nach der Pause den Rasen zu seinem ersten Profispiel betrat, konnte einem angesichts der Werder-Ersatzbank angst und bange werden. Und beim Blick auf den Rasen wurde es nicht besser. Gerade mal zehn Minuten hielt der Vorsatz, die 1:0-Führung aus dem Hinspiel kühl nach Hause zu spielen. Dann begann wieder jenes rätselhafte Fehlpassfestival, jenes durchaus bemühte Gestocher, das zu nichts anderem führt als zu unnötigen Laufwegen.
Dann: Auftritt Schindler, Flanke Schindler, Kopfball Almeida, Tor. Schindler, der normalerweise in der Regionalliga Nord spielt und nur wegen der Verletzung eines anderen Spielers im Winter ins Profi-Trainingslager nachrückte, könnte der neue Lokalheld werden: Er stammt aus dem nahen Delmenhorst. Mit seinen druckvollen Flügelläufen versöhnte der junge Mann mit der erstaunlich bulligen Statur auch die Werder-Fans.
Die zeichnet, ähnlich wie den Trainer, gemeinhin ein Gleichmut aus, der bisweilen die Ferndiagnose „kollektive Schilddrüsenunterfunktion“ zu rechtfertigen scheint. Daran ändert auch der Europapokal nicht viel. Wenn sie mal singen „Steht auf, wenn ihr Bremer seid“ und dazu La Ola machen, sind sie schon selbst ganz ergriffen von so viel Emotionen. Umso befremdlicher, dass sie den an diesem Abend mal wieder besonders technisch limitiert wirkenden Aushilfsmittelfeldspieler Jurica Vranjes bei jeder Gelegenheit auspfiffen und seine Auswechslung lautstark bejubelten.
Torsten Frings, bei Werder für die klärenden Worte zuständig, griff die Fans später an: „Ich glaube, die Leute hier sind einfach zu verwöhnt“, sagte er. Ausnahme: die Ostkurve. Und: „Ich finde das nicht in Ordnung, wenn ein Spieler, der vielleicht nicht seinen besten Tag hat, von den eigenen Fans ausgepfiffen wird. Der ist danach nur noch kaputter.“ Der zweite Satz ist verräterisch: Kaputt ist Werder schon. Und bei allen Verletzungen – Klose, Klasnić, Baumann, Borowski fehlen – ist das vor allem ein psychisches Problem.
Dass die Mannschaft sich auf Europas Resterampe von Spiel zu Spiel hangelt und in der Bundesliga nur drei Punkte Rückstand auf Tabellenführer Schalke hat, ist eher der Schwäche der Konkurrenz als der eigenen Stärke zuzuschreiben. Und aus einem mühsamen 2:0 gegen die biederen Galicier ist auch keine Überdosis Selbstvertrauen zu ziehen.
Am Sonntag kommt ein anderes Kaliber an die Weser: Mainz 05, Anführer der inoffiziellen Rückrundentabelle. Elf von zwölf Rückrunden-Toren der Mainzer haben Leon Andreasen und Mohamed Zidan geschossen, die Werder in der Winterpause nach Mainz transferierte. Das könnte ein unangenehmes Wiedersehen werden. JAN KAHLCKE