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Archiv-Artikel

Kinder brauchen Schutz

In einem Präventionsprojekt von Schattenriss und Jungenbüro an Kindertagesstätten lernen Erwachsene, wie sie Kinder vor sexueller Gewalt schützen können

Nicht Kinder, sondern Erwachsene sollen dafür sorgen, dass Jungen und Mädchen nicht sexuell missbraucht werden. Diesen Ansatz verfolgt Schattenriss, die Beratungsstelle gegen sexuellen Missbrauch an Mädchen zusammen mit dem Bremer Jungenbüro seit einem Jahr mit einem Präventionsprojekt in Kindertagesheimen. Früher hätte sich Prävention vor allem an Kinder gerichtet, die mit Selbstbehauptungskursen stark gemacht werden sollten, um sich vor Übergriffen zu schützen, sagt Marion Flindt von Schattenriss. Moderne Konzepte würden sich aber vor allem an Erwachsene, also Eltern und Erzieherinnen richten, da Kindern nicht die Verantwortung für ihre eigene Sicherheit aufgebürdet werden dürfe, so Flindt. „Kein Kind kann sich alleine schützen“ heißt dementsprechend das von der Stiftung Aktion Mensch finanzierte Projekt.

Zehn Kitas haben bis jetzt daran teilgenommen. Neben dem Fortbildungsprogramm für Eltern und ErzieherInnen haben auch 109 Kinder in geschlechtergetrennten Gruppen beispielsweise den Unterschied zwischen „guten“ und „schlechten“ Geheimnissen erfahren oder gelernt, den eigenen Gefühlen zu trauen. Das funktioniere aber nur, wenn Erwachsene ihnen das auch im Alltag vermitteln würden, sagt Flindt und nennt ein Beispiel: Ein Kind sagt „mir ist kalt“ und bekommt zu hören „ach, stell dich nicht so an, vorhin war dir noch warm“. Dieses Kind lerne, dass nicht zähle, was es selbst empfinde, sondern was andere ihm sagen, so Flindt. Dieses Verhalten machten sich Täter zunutze, wenn sie einem Kind einreden, ihm gefielen die Missbrauchstaten. Außerdem würden Kinder immer noch zu häufig die Botschaft empfangen, sie müssten sich geschlechtsspezifischen Rollen anpassen, sagt Flindt. Den Mädchen falle es nach wie vor schwer, laut „nein“ zu sagen – ohne dabei zu lächeln, erzählt sie. „Da kommt anfangs nur ein leises Piepsen.“ Jungen wiederum „denken immer, sie müssten sich alleine schützen und dürfen sich keine Hilfe holen“, sagt Volker Mörchen vom Jungenbüro.

Für die ErzieherInnen sei vor allem wichtig, dass sie in der Fortbildung lernen, wie sie beim Verdacht auf Missbrauch vorgehen sollten und wo sie sich Hilfe holen können, sagt Hildegard Vogelsang, Leiterin der Kita Waller Park, die als eine der ersten an dem Präventionsprojekt teilgenommen hat. Früher hätten sich viele nicht getraut aktiv zu werden, weil sie dachten, sie müssten dann alles alleine machen, berichtet die Erzieherin. Das Gegenteil sei richtig, erklärt Flindt. „Das kann man nur im Team bewältigen.“

Das Projekt läuft noch zwei weitere Jahre und kostet für Kitas zwischen 200 und 300 Euro, je nachdem, ob nur Eltern und ErzieherInnen oder auch Kinder an dem Programm teilnehmen. Weil die Aktion Mensch einen Eigenanteil der geförderten Organisationen erwartet, sind Schattenriss und das Bremer Jungenbüro auf Spenden angewiesen. Für die Fortsetzung fehlen derzeit noch 22.000 Euro.

Eiken Bruhn

Weitere Informationen: www.schattenriss.de, www.bremer-jungenbuero.de