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Archiv-Artikel

WARUM BERLINER DIENSTLEISTUNGSVERÄCHTER SIND Der Hass auf Touristen, historisch betrachtet

VON HELMUT HÖGE

Die Berliner hassen die Touris, weil sie dafür sorgen, dass aus nützlichen Lebensmittelläden laute Amüsierpöbel-Lounges werden, dass die Hausbesitzer asozial werden und ihre Mieten erhöhen oder ihre Immobilien gar in „Touristen-Herbergen“ umwandeln, und selbst die Politiker verblöden, weil sie sich freuen, wenn die „Hauptstadt“ brummt. So fordert die Kreuzberger Bezirksbürgermeisterin zum Beispiel „Gummirollen“ – für die Rollkoffer der Touris, damit die nicht so einen Krach auf dem Pflaster machen. Danach ist für sie anscheinend alles in Ordnung.

In den USA, in Italien oder in der Türkei wären die Einheimischen, statt zu jammern ,längst dazu übergegangen, diese Easyjet-Touris erbarmungslos auszunehmen. Entweder indem man sie ausraubt oder indem man sich ein albernes Dienstleistungsangebot nach dem anderen für sie ausdenkt. Die Einzigen, die in Berlin dazu in der Lage sind, sind die Vietnamesen. Den Türken fällt nur immer ihr eigener Scheiß zum Verkaufen ein und den Deutschen gar nichts.

Das hat eine Geschichte: In Berlin ging es den ökonomisch Selbsttätigen bereits 1448 an die Gurgel, was man bis heute den „Berliner Unwillen“ nennt: Der brandenburgische Markgraf Friedrich II. nutzte ein Vermittlungsgesuch des zerstrittenen Bürgertums, um Besitz und städtische Selbstständigkeit an sich zu bringen. Die Bürger mussten mit ansehen, wie Friedrich auf ihre Kosten sein Residenzschloss in der Stadt errichtete.

Die Berliner Niederlage war von nationaler Bedeutung: Noch vor der Niederschlagung der „witzig“ gewordenen Bauern (ab 1525) wurden die Städte dem Adel gefügig gemacht. Davon hat sich das deutsche, speziell das Berliner Bürgertum nie erholt: Noch bis 1917 galt das Dreiklassenwahlrecht. Erst 1918 setzte die revolutionäre Arbeiterbewegung die bürgerlich-parlamentarische Demokratie durch.

Nur das Rauchverbot gekippt

400 Jahre nach dem „Unwillen“ scheiterte das Bürgertum in seiner „Erhebung“ erneut: Die Revolution von 1848 brachte den Berlinern wenig mehr als die Aufhebung des Rauchverbots in der Öffentlichkeit. Erst die beiden Kabinettskriege in den 1860er Jahren sorgten für Bewegung. Doch obwohl die Zünfte sich auflösten und später in den Gewerkschaften wiederkehrten, erreichte die „kleindeutsche Lösung“ nicht einmal das, „was die Bourgeoisie anderswo längst besitzt, und läßt die Hauptschikane, das bürokratische Konzessionswesen, unberührt“ (Engels).

Dem Bürgertum hierzulande steckt 1448 noch in den Knochen. Es will nicht herrschen: „Wir sollen und wollen auch in Zukunft willig und gehorsam Untergebene sein und bleiben, ohne Ausrede, ohne Arg und ohne alle Gefährde.“ So gelobte man damals; bis heute will man „festangestellt“ sein, und bis heute ist die Berliner Bürgerpresse von besonders autoritärer Kritiklosigkeit. Auf die ängstliche „Befreiung“ 1989 folgte sogleich die Heimholung der letzten Hohenzollerngebeine.

Das Anforderungsprofil des Wirtschaftsbürgers – sehen, erkennen, handeln – ist derart mit Stumpf und Stil ausgerottet, dass das Maß von Welt verloren gegangen ist. Daraus folgt Über- wie Unterschätzung der eigenen Fähigkeiten: Für sich nichts, für Kaiser und später Führer alles sich zutrauen! Anderswo stiftet eine Dienstleistung Existenz und Sinn, hier ging es 550 Jahre lang genau umgekehrt darum, dass nur eine individuell-unwillige Verweigerung von Dienstleistung Identität schuf (was der Dramatiker Heiner Müller vorschnell als proletarische Errungenschaft feierte).

Schweigen wir von den englischen Touris, die Amis sind schlimm genug: Ständig kommen sie uns mit „Service“. Dieses Ekelwort kommt aus dem Lateinischen und bedeutet „Sklavendienst“ – und diesen sollen wir auch noch verbessern, dabei ist ein „serviler Mensch“ wenigstens hierzulande das Allerekelhafteste. Gott sei Dank! In Summa: Die Nachfahren der Sklaven, die Afrikaner, machen es fast als Einzige richtig: Sie verkaufen den Touris am Görli Haschisch zu überhöhten Preisen und ohne mit dem Betäubungsmittelgesetz in Konflikt zu geraten, denn der THC-Gehalt ihres Turnzeugs ist gleich null.