: Klimaschutz durch Zertifikate-Kauf
Auch der Umweltminister empfiehlt ökologische Ablassbriefe. Der wirkungsvollste Weg jedoch ist der Kauf und die anschließende Löschung der sogenannten EU-Allowances
FREIBURG taz ■ Der neue Öko-Trend: Verbraucher kompensieren die persönlich ausgelösten CO2-Emissionen durch den Kauf von Klimaschutz-Zertifikaten. Umweltminister Sigmar Gabriel tingelt durch die Talkshows, wo er sich mit der Aussage gefällt, „beim nächsten Spanienurlaub“ die Emissionen des Fliegers durch den Kauf entsprechender Ablassbriefe auszugleichen. Seinen Favoriten unter den diversen Anbietern ist Atmosfair.
Grundsätzlich sind solche Modelle natürlich nicht verkehrt, da sie Geld für den Klimaschutz sammeln. Doch die Deutsche Emissionshandelsstelle (DEHSt), die dem Umweltbundesamt angegliedert ist und über die in Deutschland ausgegebenen Emissionszertifikate wacht, warnt bereits: Man müsse sich die Anbieter sehr genau anschauen. „Da gibt es bereits schwarze Schafe“, sagte eine Sprecherin der DEHSt.
Wie das mit den Zertifikaten funktioniert? Im Prinzip gibt es zwei verschiedene Wege. Der eine lässt sich schön vermarkten, weil er so anschaulich ist: Mit dem Geld der Spender werden Bäume angepflanzt oder erneuerbare Energien ausgebaut. Das zum Beispiel macht Atmosfair. Der andere Weg setzt dagegen Verständnis in die Mechanismen des Emissionshandels voraus: Man kauft EU-Emissionszertifikate, wie sie zum Beispiel an der Strombörse in Leipzig gehandelt werden, und vernichtet sie.
Dieser zweite Weg ist in einem funktionierenden System des Emissionshandels der wirksamste. Doch dazu muss man das Prinzip der Zertifikate begriffen haben. Die EU hat jedem ihrer Staaten ein bestimmtes Kontingent an CO2 zugeteilt. Dieses wird an die Industrie in Form von Zertifikaten vergeben mit der Auflage, dass kein Industriebetrieb mehr CO2 ausstoßen darf, als er an Zertifikaten vorweisen kann. Weil es aber immer Unternehmen gibt, die zusätzliche Kontingente brauchen, und andere, die Überschuss haben, gibt es einen Handel und damit einen Marktpreis.
Kauft man Zertifikate auf, und lässt sie bei der DEHSt löschen, dann stehen diese potenziellen Emittenten nicht mehr zur Verfügung. Entsprechend sinkt der Ausstoß an CO2. Der besondere Charme daran: Durch die Verknappung der börsengehandelten Zertifikate wird deren Preis gestützt, womit es für die Industrie teurer wird, ihre Klimagase in die Luft zu blasen. „TheCompensators“ nennt sich eine entsprechende Initiative, die vom Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung gegründt wurde. Geschäftemacher sind bei diesem Verfahren außen vor, denn es ist unschlagbar transparent. Schließlich kann jeder Interessent nachschauen, wie hoch der CO2-Preis an der Börse gerade ist – mehr als einen kleinen Verwaltungsaufschlag wird also kein Anbieter rechtfertigen können. Aktuell könnte bei einem Tonnagepreis von 1,10 Euro für Emissionen des Jahres 2007 der durchschnittliche Bundesbürger seinen Jahresausstoß von 10 Tonnen CO2 für etwa 11 Euro völlig kompensieren.
So ist es mit den EU-Emissionsrechten etwa so wie mit den Bundeswertpapieren, die auch kein Banker empfiehlt, weil die Bank dabei leer ausgeht. Die offizielle Lesart für ihre Skepsis jedoch ist bei den Anbietern anderer Klimaschutz-Papiere eine andere: „Das Kaufen und Löschen von EU-Allowances ist schwer zu kommunizieren“, sagt Moritz Lehmkuhl, Gründer von Climate Partner. Wenn man den Menschen von tollen Projekten in Entwicklungsländern erzähle, komme das einfach besser an. Ein gelöschtes Emissionsrecht hingegen ist und bleibt immer eine Tonne weniger CO2 in der Luft. BERNWARD JANZING