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Archiv-Artikel

Selbstmord wegen Geldanlage

Prozess um wertlose Immobilien beginnt, die die Bausparkasse Badenia finanziert hatte

BERLIN taz ■ Bei den Geschäften mit sogenannten Schrottimmobilien, finanziert durch die viertgrößte deutsche Bausparkasse Badenia, entstand in den 1990er-Jahren ein Schaden von rund 340 Millionen Euro. Über 8.000 Kleinanleger waren betroffen, einige haben sich das Leben genommen. Ab heute befasst sich nun der 11. Senat des Bundesgerichtshofs in Karlsruhe (BGH) mit der Affäre Badenia.

Die Hoffnungen tausender geprellter Anleger gründen sich jetzt darauf, dass sich der BGH erstmals mit einem Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe (OLG) befasst, das 2004 zugunsten einer Klägerin entschieden hatte. Der BGH entscheidet damit auch über das weitere Schicksal der baden-württembergischen Bausparkasse, die das Wissen um die unlauteren Praktiken ihrer Vermittler nach wie vor abstreitet. Erst jetzt bekannt gewordene Dokumente lassen indessen den Schluss zu, dass der damalige Vertriebsvorstand der Badenia, Elmar Agostini, nicht nur genau Bescheid wusste über die Vorgehensweise der Immobilienvermittler Uwe Heinen und Laurenz Biege (H & B), sondern an deren fragwürdigen Geschäften auch mitgewirkt hat. Gegen Agostini ermittelt derzeit auch die Staatsanwaltschaft Mannheim wegen Verdachts auf Beihilfe zum Betrug.

Wie die Wohnungsvermittler im Einzelnen vorgegangen sein sollen, lässt sich inzwischen auch in einer Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Dortmund nachlesen. Dort soll bald das erste strafrechtliche Verfahren gegen Heinen und Biege beginnen. In dem konkreten Fall geht es um ein ehemaliges Seniorenwohnheim in Schwelm bei Wuppertal, das in insgesamt 283 Wohnungseinheiten aufgeteilt wurde, die dann einzeln insbesondere Geringverdienern als Kapitalanlage angeboten wurden. Der Erwerb der Wohnungen war an den Beitritt in einen sogenannten Mietpool gekoppelt, der nur mit Zustimmung der Badenia gekündigt werden konnte. Die Zahlungen aller Mieter mussten demnach zunächst auf ein gemeinsames Konto fließen, aus dem wiederum die Wohnungseigentürmer ihre Mietzahlungen erhalten sollten. Eventuelle zeitweise Leerstände von einzelnen Wohnungen sollten so auf alle Schultern gleichermaßen verteilt werden. Die Staatsanwaltschaft Dortmund wirft den Wohnungsvermittlern vor, die Erwerber von Anfang an wissentlich über den Ertrag der Immobilien und damit über ihren Wert getäuscht zu haben. Der angesetzte Mietpreis pro Quadratmeter sei absichtlich viel zu hoch angesetzt worden. Viele der Wohnungen waren deshalb unvermietet. Die Käufer blieben auf einem Schuldenberg sitzen, dem keine Einnahmen gegenüberstanden. Außerdem, heißt es in der Anklage weiter, hätten sich im angegebenen Kaufpreis versteckte und für den Käufer nicht ersichtliche Provisionen und Abgaben verborgen, die zum Teil H & B, zum Teil die Badenia erhalten haben sollen. Tatsächlich hätten sich in einem Kaufpreis von etwa 88.000 Mark bis zu 21.000 Mark an Provisionszahlungen verborgen.

Die Deutsche Badenia Bausparkasse, die als Finanzier der Immobilien mittels vorab ausgezahlter Bausparverträge dick im Geschäft war, bestreitet ein Wissen über das betrügerische Vorgehen. Doch die nun aufgetauchten Briefwechsel zwischen Badenia-Vertriebsvorstand Agostini und den H & B-Geschäftsführern wecken daran erhebliche Zweifel. In einem Brief von Agostini an Heinen vom 12. März 1998 heißt es wörtlich: „Wir arbeiten seit Jahren mit Bonitätskennzahlen, die mit Sicherheit bei keinem anderen Kreditinstitut so akzeptiert werden würden, vor allem, wenn man bei der zu finanzierenden Immobilie den Begriff ‚Kapitalanleger‘ verwendet.“ JOCHEN SCHÖNMANN