piwik no script img

Archiv-Artikel

Kein Nachtflug nach Bulgarien

ASYL 150 Menschen verhindern in Hannover eine Nachtabschiebung – die es laut Innenminister Boris Pistorius (SPD) eigentlich gar nicht mehr geben sollte

Von HST

In Hannover haben Aktivisten in der Nacht zu Donnerstag die Abschiebung von Yassin Abbas aus dem Sudan verhindert. Er sollte nach dem Dublin-II-Verfahren nach Bulgarien abgeschoben werden, da er dort erstmals in der EU registriert wurde.

Um kurz nach drei Uhr in der Früh rückten Angehörige der Landesaufnahmebehörde und Polizisten in der Nordstadt an, um die Abschiebung durchzuführen. Empfangen wurden sie von 150 Menschen, die Treppen und Flure des Hauses blockierten, in dem Abbas lebt. Weil die Wohnung für sie unerreichbar war, brachen die Behördenmitarbeiter die Abschiebung ab. Abbas’ Duldung in Deutschland ist seit Mittwoch abgelaufen, damit droht ihm nun die Abholung.

Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) hatte im März noch erklärt, „Abschiebungen sollten nicht bei Nacht und Nebel stattfinden“. Rechtlich sind sie aber zulässig. Klaus Siems, Fachbereichsleiter Ausländerrecht bei der für die Abschiebung zuständigen Landesaufnahmebehörde (LAB) in Braunschweig, beruft sich auf Sachzwänge. Das Zielland, hier also Bulgarien, gebe den Ankunftstermin vor, das Landeskriminalamt buche dann einen passenden Flug. Die LAB müsse die Flüchtlinge dann abholen. So könne es trotz der gegenteiligen Auffassung des Ministers zu Nachtabschiebungen kommen: „Wir haben keinen Spielraum“, so Siems.

Abbas befürchtet nun eine unangemeldete Abschiebung. Deshalb haben seine Unterstützer ihn an einen anderen Ort gebracht. Einer von ihnen, Sören Waack, sagt, dass es in der Vergangenheit vereinzelt zu solch unangemeldeten Versuchen gekommen sei, wenn die angekündigten Abschiebetermine nicht stattfinden konnten. Für ihn sind Blockaden mehr als reine Nothilfe: „Am Ende geht es um die Veränderung der Asylpolitik.“ Es sei fraglich, ob sich die Blockierer tatsächlich gegen die „Staatsmacht stellten oder nicht einfach die freiheitlich-demokratische Grundordnung für sich viel weiter auslegen“. Bestätigt fühlt er sich durch ein aufgeschnapptes Gespräch: Ein Polizist habe beim Einsatz gesagt, wenn sich Aktivisten setzten und blockierten, sei das „Demokratie“.  HST