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Archiv-Artikel

Gute alte bleierne Zeit

„FR“ Bekenntnisse eines gelernten Frankfurters

Was sich sozialliberal gerierte, las „FR“

Als Helmut Schmidt, der Mann mit der Elbseglerkappe, das sozialliberale Land in bleierner Zeit regierte, begann die Hochzeit der Frankfurter Rundschau. Was sich sozialliberal gerierte, las FR; der Genosse von der SPD noch den Vorwärts. Der Konservative FAZ und Welt. Die Kommunisten, stramm auf Linie Moskau, lasen ihre UZ. Die Nazis die Nationalzeitung und den Landser.

Gigantische Computer stanzten langsam Lochkarten. Das Internet war noch Utopie, die taz aber schon angedacht, weil – undogmatisch – links von der FR eine riesige mediale Lücke klaffte. Noch aber war die (Zeitungs-) Welt in allerschönster Ordnung, die Parteienlandschaft auch – und die FR trotz ihrer lebenslangen Nähe zur SPD und den Gewerkschaften eine „unabhängige Tageszeitung“. So wie es jetzt noch unter dem geschrumpften Titelkopf steht.

Mit ihren (politischen) Kommentaren überraschte die FR nie – bis heute. Schlimm ist das nicht wirklich, denn kein Mensch kauft das Blatt (mehr) wegen des Politik- und Wirtschaftsteils oder seiner Meinung. Bleiben Sport, Kultur und der Frankfurter Lokalteil. Letzterer wird immer noch gelobt. Zu Recht.

Das Feuilleton der FAZ – auch im Lokalteil – aber schlägt sowieso keine andere Zeitung im umkämpften Kerngebiet Rhein-Main. Und auch der mehrfach ausgezeichneten Sportredaktion der FAZ können die oft arg populistisch kommentierenden Kollegen der FR, denen auch schon mal eine Verbalinjurie durchrutscht, nicht das Wasser reichen. Nur: Wer eine bezahlbare Wohnung in der Region sucht, braucht die FR noch. Und so etwas wie Kreuzworträtsel gibt es in der FAZ auch nicht.

Die FR ist also leicht auszurechnen, weil langweilig geworden. Und sie ist „aus der Zeit gefallen“, wie die Süddeutsche Zeitung (SZ) schrieb, die nach Einschätzung von Medienexperten wohl am meisten vom – programmierten – Niedergang der FR profitieren wird. Das linksbürgerliche Milieu fühlt sich eben nicht mehr bei der SPD daheim, wo es stellenweise noch nach „Kohl und Kappes“ riecht; und ergo auch nicht bei der FR. Man wählt grün, liest SZ, Neue Zürcher Zeitung (NZZ), ja sogar FAZ. Und natürlich auch die taz.

Der sicherste Indikator für das Nahen des Endes der Traditionszeitung FR ist der dramatische Fall der Mopsrate. Noch vor ein paar Jahren wurde uns die FR regelmäßig aus dem Briefkasten des taz-Büros im Frankfurter Ökohaus stibitzt. Jetzt bedienen sich die Zeitungsdiebe schamlos an FAZ und taz. Die Rundschau bleibt. KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT