: Mann und Frau, rechts und links, Falke und Taube
EUROPÄISCHE UNION Der Pole Tusk und die Italienerin Mogherini besetzen die EU-Spitzenpositionen
AUS BRÜSSEL ERIC BONSE
Es begann mit einer Panne, und es endete mit einer Enttäuschung. Noch bevor die 28 Staats- und Regierungschefs der EU am Samstagabend vor die Presse traten, sickerte schon der Name des neuen Ratspräsidenten, Donald Tusk, durch. Ausgerechnet Noch-Amtsinhaber Herman Van Rompuy hatte sich verplappert.
„Haben wir Neuigkeiten? Ich habe gehört, das mit Donald ist ok?“, fragte der Präsident Zyperns kurz nach Beginn des Treffens. Darauf Van Rompuy: „Ja, aber behalte es noch für dich.“ Was der Belgier nicht wusste: Die Szene wurde gefilmt und ausgestrahlt. Damit war die Spannung raus – denn auch der Name der neuen EU-Außenvertreterin war längst bekannt: Es wird die Italienerin Federica Mogherini. Sie soll die bisherige Chefdiplomatin, Catherine Ashton, ablösen, die ihren Job genau wie Van Rompuy Ende November an den Nagel hängt.
Immerhin kamen die EU-Chefs beim Postengeschacher schnell zu Potte. Nach dem Flop vom Juli, wo sie sich nicht einigen konnten, hatte vor allem Kanzlerin Angela Merkel die Strippen gezogen. Der Pole Tusk gilt als Merkels Wunschkandidat: Er ist rechtsliberal, überzeugter Europäer und kommt aus dem Osten. Merkels Lieblingskombi.
Dass er kein Englisch spricht und im Ukraine-Konflikt mit Russland als undiplomatischer Hardliner gilt, scheint nicht zu stören. Dabei muss der Ratspräsident wie der Chef eines Orchesters agieren – mit viel Fingerspitzengefühl und einem offenen Ohr für alle Mitglieder. Vor allem auf die Zwischentöne kommt es an. „Ich werde mein Englisch aufpolieren“, versprach Tusk nach seiner Nominierung. Zudem will er versuchen, Großbritannien in der EU zu halten. „Die Zukunft besteht nicht darin, sie kleiner zu machen“, betonte der Pole, der neben Berlin auch von London unterstützt wurde.
Auch Mogherini ist nicht unbedingt eine Idealbesetzung. Als Außenministerin verfügt sie kaum über diplomatische Erfahrung. Zudem gilt die Sozialdemokratin aus Rom eher als Putin-Versteherin. Doch für die EU-Chefs macht das gerade den Reiz aus: Das neue Führungsduo vereint Mann und Frau, rechts und links, Falken und Tauben.
Ob sie sich zu einem Dreamteam entwickeln, wird man aber erst ab Dezember sehen, wenn Tusk und Mogherini ihre neuen Brüsseler Ämter übernehmen. Vorher müssen sie sich noch mit dem neuen Kommissionschef Jean-Claude Juncker zusammenraufen, der am 1. November durchstarten will.
Denn der Rat, den Tusk vertritt, und die Kommission, für die Juncker spricht, liefern sich einen erbitterten Machtkampf. Seit der Eurokrise ist der Rat immer mächtiger geworden. Die Kommission, die eigentlich der Motor der EU sein soll, wurde immer mehr zum Erfüllungsgehilfen. Eigene Impulse gab sie kaum noch. Dabei wäre das dringend nötig – angesichts der Eskalation in der Ukraine und neuer Konjunktursorgen in der Eurozone. Zu beiden Themen fiel die Antwort enttäuschend aus. Die Eurokrise wurde auf einen „Wachstumsgipfel“ am 8. Oktober in Rom vertagt. Zur Ukraine fiel den Chefs nichts Besseres ein, als Russland mit neuen Sanktionen zu drohen – in einer Woche.
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