: Britischer Tempelbauer
Der Stararchitekt David Chipperfield hat eine neue Mission: den Neubau des Essener Folkwang-Museums
Für die einen „Deutschlands erster Tempelbauer“, für die anderen ein „Mörtelpriester“: der Architekt David Chipperfield FOTO: CHIPPERFIELD
2010, wenn Essen Kulturhauptstadt ist, hat er seinen großen Auftritt: Der britische Architekt David Chipperfield wird bis dahin das neue Museum Folkwang in Essen bauen. Sein Entwurf gewann den ersten Preis der Fachjury – wenn auch nur knapp: „Nur um einen Wimpernschlag“ habe er in der Jurygunst vor dem zweitplatzierten britischen Büro Adjaye gelegen, sagte Essens Kulturdezent Oliver Scheytt. 55 Millionen Euro stellt die Krupp-Stiftung Chipperfield nun zur Verfügung, damit er seine Pläne in die Tat umsetzen kann.
Mit Chipperfield haben sich die Essener für einen Polarisierer entschieden: Die Essener Jury lobte bei der Preisvergabe „den Respekt vor dem zu erhaltenden denkmalgeschützten Altbau des Museums“. Die Zeit prognostizierte ihm gar eine Zukunft als „Deutschlands obersten Tempelbauer“. Doch nicht alle Experten setzen so viel Vertrauen in den Stararchitekten: In Anlehnung an seinen Stil nannten ihn Kritiker „Mörtelpriester“ und „pingeligen Ruinen-Romantiker“.
Längst gehört der 1953 in London geborene Brite zu den „Global Players“ der Architekturszene. Die spanische Architekturzeitschrift „El Croquis“ widmete Chipperfield jüngst 500 Seiten in einer Werkübersicht. Nach seinem Studium an der berühmten Architectural Association in London arbeitete er zunächst einige Jahre für Größen wie Richard Rogers und Norman Foster, bevor er 1984 sein eigenes Büro in London mit Zweigstellen in Berlin, Mailand, Tokyo und New York sowie eine Repräsentanz in Schanghai eröffnete.
In Essen sieht Chipperfield die Aufteilung des Museums in drei unterschiedlich hohe kubische Baukörper vor. Ein 1960 errichteter Museumstrakt soll erhalten, ein jüngeres Gebäude für den Neubau abgerissen werden. Besonders hierzulande kommt Chipperfields Stil offensichtlich gut an: Obwohl sich seine Projekte über den ganzen Globus verteilen, liegt der Schwerpunkt momentan auf Deutschland. Allein in Berlin verfolgt der Architekt gleich in halbes Dutzend Projekte. Seit 1997 ist er dort mit dem Wiederaufbau des Neuen Museums verantwortlich.
Entsprechend hoch sind die Erwartungen nun in Essen: Schließlich will man sich die Kulturhauptstadt 2010 mit dem Museum Folkwang von der besten Seite präsentieren. Spätestens dann wird sich „Deutschlands britischer Tempelbauer“ dem Urteil seiner Auftraggebern und Kritkern stellen müssen. CHRISTIAN BECKER