Cäsium-Suppe vor Kammer 12

ASSE BfS misst deutlich erhöhte Radioaktivität im Atommülllager: Werte im Bohrloch haben sich seit 2008 mehr als verdoppelt

Die hohen Kontaminationen gehen aus Sicht der Behörden auf die Abfälle zurück, die in der Kammer lagern

Im Atommülllager Asse bei Wolfenbüttel ist die Radioaktivität vor einer Einlagerungskammer stark gestiegen. In einem Bohrloch vor Kammer 12 habe das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) eine Cäsium-Aktivität von 240.000 Becquerel Cäsium 137 pro Liter gemessen, teilte BfS-Sprecher Werner Nording gestern mit. Eingerichtet hatte das Bohrloch bereits der frühere Betreiber des maroden Stollens, das Helmholtz Zentrum.

„Das ist der bislang höchste Wert von Cäsium 137 in einer Lösungsprobe, der in der Asse nach dem Ende der Einlagerung im Jahr 1978 gemessen wurde“, so Nording. In einer geringeren Konzentration wurde in der Lösung auch das Radionuklid Kobalt 60 festgestellt. Das Helmholtz Zentrum habe im Jahr 2008 in demselben Bohrloch noch eine Aktivitätskonzentration von etwa 90.000 Becquerel pro Liter gemessen, sagte Nording. Damit ist die Aktivitätskonzentration an der Messstelle innerhalb von drei Jahren um das zweieinhalbfache gestiegen. Die „Freigrenze“ für die Cäsium-137-Aktivitätskonzentrationen liegt bei 10.000 Becquerel pro Kilogramm.

Die hohen Werte wurden in 750 Metern Tiefe gemessen, in der Nähe des so genannten Laugensumpfes vor Kammer 12. Dass dieser fast 20 Kubikmeter große Tümpel aus kontaminierter Salzlösung besteht, ist bereits seit 1994 offiziell bekannt. Die Flüssigkeit stammt laut BfS nicht aus den seit Jahren von außen in das Bergwerk sickernden Zutrittswässern, sondern aus alten Kali-Rückständen.

Kammer 12 wurde 1922 in den Salzstock Asse geschlagen und stand ein halbes Jahrhundert lang leer. Als 1973 die ersten Fässer darin gestapelt wurden, war die Kammersohle bereits völlig von Feuchtigkeit durchtränkt.

Die hohen Kontaminationen gehen nach übereinstimmender Bewertung von Bundes- und Landesbehörden auf die in der Kammer lagernden Abfälle zurück. Die Böden der dort gestapelten Fässer mit schwach radioaktiven Abfällen lecken offenbar oder sind durchgerostet. „Vermutlich stehen die Abfälle am Boden der Kammer bereits im Kontakt mit Salzlösungen“, so das BfS. Ein Teil der Belastung könnte auch auf Unfälle bei der Einlagerung zurückgehen. Insgesamt lagern in der Kammer etwa 7.500 Fässer.

Wie alle übrigen Kammern auch, wurde Nummer 12 nach dem Ende der Einlagerung 1978 verschlossen. Im Zuge der Probephase für die Rückholung der Abfälle soll sie – wie auch Kammer 5 – noch in diesem Jahr angebohrt werden: Das BfS will sich einen Überblick über den Zustand der Fässer verschaffen. Ob die hohen Cäsium-Konzentrationen die Bergung erschweren, ließ sich gestern nicht abschätzen.

Nach der jüngsten Messung hätten die Strahlenschützer des BfS alle erforderlichen Maßnahmen zur Sicherheit der Beschäftigten getroffen, sagte Nording. Die Behörde habe eine Genehmigung, mit diesen radioaktiven Lösungen umzugehen. REIMAR PAUL