: „Viele Akteure werden nicht genannt“
Im EU-Vergleich werden deutsche Lobbygruppen politisch kaum behelligt, sagt Heidi Klein von Lobbycontrol
HEIDI KLEIN, 29, sitzt geschäftsführend im Vorstand von Lobbycontrol, einer Kölner Initiative, die sich für mehr Transparenz von politischen Entscheidungen einsetzt. Der Verein, der durch die private Bewegungsstiftung finanziert wird, veröffentlicht regelmäßig Berichte über die Lobbyarbeit deutscher Unternehmen.
taz: Frau Klein, Sie beschäftigen sich kritisch mit Unternehmenslobbyisten. Der Deutsche Bundestag veröffentlicht regelmäßig Listen über diese politischen Interessengruppen. Wie transparent ist die Lobbyarbeit?
Heidi Klein: Diese Verbändeliste ist kein wirkliches Lobbyisten-Register, wie es jetzt in der EU entstehen soll. Darin fehlen etwa Informationen zur Finanzierung der einzelnen Gruppen. Viele Akteure werden nicht genannt, etwa Agenturen, die zunehmend Lobbyarbeit organisieren. Weiter gehen die Lobbyregister in Litauen und Polen. Dort müssen die Organisationen auch ihre Geldquellen offen legen.
Wie stark ist der Einfluss der Lobbygruppen auf deutsche Politiker und wie gehen sie vor?
Sie werden auf unterschiedlichen Ebenen aktiv. Durch die Debatte um Nebeneinkünfte von Politikern ist inzwischen bekannt geworden, wo Unternehmen ihre Interessen im Parlament vertreten lassen. Zudem gibt es privilegierte Zugänge von Lobbyisten in Ministerien, die dem demokratischen System schaden. Gut recherchiert ist das Beispiel Fraport, der Betreiber des Frankfurter Flughafens. Ein Fraport-Mitarbeiter hat das Bundesverkehrsministerium bei Lärmschutzmaßnahmen für Flughäfen beraten. Da ist klar, der Lärmschutz fällt niedrig aus. Ein undemokratisches Vorgehen.
Zuletzt war die Tabakindustrie politisch erfolgreich.
Genau. Ein weiterer Fall, wo sich die extrem enge Verzahnung von Politikern und Industrie gezeigt hat. CDU-Abgeordnete haben die Argumentation gegen ein Rauchverbot einfach eins zu eins vom VDC, dem Verband der Cigarettenindustrie, übernommen – inklusive Kommafehlern.
Kann ein Register diesen Einfluss stoppen?
Das wäre ein wichtiger Schritt, weil solche Fälle dadurch leichter aufgedeckt werden könnten. Die Gruppen sollten im Register auch offenlegen, an welchen Gesetzesvorhaben sie sich beteiligen. Beim VDC-Fall hätte man so gesehen, dass die Wirtschaft ihre Finger im Spiel hatte. Die anschließende öffentliche Empörung kann sich eine Industrie, die auf ihr Ansehen achten muss, nicht leisten.
INTERVIEW: MORITZ SCHRÖDER