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Archiv-Artikel

Sport ist Mord

Favorit Pakistan ist bei der Cricket-WM ausgeschieden, einen Tag später stirbt der Trainer. Gibt es Zusammenhänge?

Es ist eine Sportart, die wohl nur jemand richtig versteht, der in England oder einer seiner ehemaligen Kolonien aufgewachsen ist. Cricket macht außerhalb des Commonwealth nur bei dramatischen Ereignissen Schlagzeilen. Der Tod des in Indien geborenen Trainers der pakistanischen Mannschaft, Bob Woolmer, ist solch ein Ereignis. Der 58-Jährige war am Sonntag bewusstlos in seinem Hotelzimmer auf Jamaika gefunden worden; er starb kurz danach im Krankenhaus.

Am Tag zuvor war sein Team gegen Irland aus der Weltmeisterschaft ausgeschieden. Es ist Irlands erste WM-Teilnahme. Pakistans Niederlage ist vergleichbar mit dem Ausscheiden Deutschlands bei einer Fußball-WM gegen Andorra. In Pakistan verbrannten Menschen Strohpuppen des Trainers, warfen Fensterscheiben seiner Wohnung ein und wünschten ihm in Sprechchören den Tod. Schon am nächsten Tag ging ihr Wunsch in Erfüllung, aber durch seinen Tod wurde Woolmer zum Nationalhelden. Ihm sei die Niederlage Pakistans so nah gegangen, sagen die Kritiker nun, dass er einen Herzinfarkt erlitt. Beim für Pakistan bedeutungslosen Spiel gegen Simbabwe, das Pakistan gewann und Irland dadurch den Einzug ins Viertelfinale bescherte, kamen viele Zuschauer mit Plakaten, auf denen stand: „Ruhe in Frieden, Bob.“

Doch nun nahm die Polizei die Ermittlungen auf, nachdem sie den Tod Woolmers als „verdächtig“ bezeichnet hatte. Die Beamten verhören Spieler und Hotelangestellte, sie prüfen Fingerabdrücke und untersuchen Woolmers Gepäck. Woolmer litt an Diabetes, aber seine Frau Gill widersprach Gerüchten, wonach er an einer Überdosis Tabletten in Verbindung mit Alkohol gestorben sei. Ihr Mann habe lediglich entzündungshemmende Medizin genommen, sagte sie.

Die Erklärung der Polizei löste in der Welt des Cricket wilde Spekulationen aus. Asiatische Zeitungen berichteten, in Woolmers Badezimmer gebe es Spuren eines Kampfes, Radio Jamaika erklärte, Woolmer sei erwürgt worden. Der ehemalige Cricket-Star Safraz Nawaz behauptete gar, Woolmers Tod hänge mit der Wett-Mafia zusammen. Der Trainer arbeitete an einem Fachbuch über Cricket und seiner Autobiografie. Nawaz glaubt, dass Woolmer darin das Verschieben von Spielen aufdecken wollte und deshalb von einem indischen Wettsyndikat ermordet worden sei. Woolmers Co-Autor, der Sportwissenschaftler Tim Noakes, hält diese Theorie für absurd: „Es konnte doch niemand wissen, was in dem Buch drinstehen wird.“ Es wäre allerdings nicht der erste Wettskandal beim Cricket. Bereits 1996 gab der Kapitän des südafrikanischen Teams, Hansie Cronje, zu, von einem Buchmacher 350.000 Dollar für eine absichtliche Niederlage kassiert zu haben. Der damalige Trainer Südafrikas war Bob Woolmer. Cronje starb 2002 bei einem Flugzeugunglück.

RALF SOTSCHECK