piwik no script img

sichtet die sozialen Bewegungen in der Stadt

JÖRG SUNDERMEIER

Am Donnerstag wird auf dem Platz vor dem Rathaus Neukölln (Karl-Marx-Straße 83, 16 Uhr) im Rahmen einer Kundgebung an etwas erinnert, was nichts mit Bürgermeister Buschkowsky zu tun hat, ein Umstand, der ihn wiederum in seiner Eitelkeit eventuell kränken wird. Aber diesmal ist die Erinnerung an die Toten der Kriegsverbrechen der Bundeswehr in Kundus/Afghanistan Thema, vor allem der laxe Umgang mit den Ermordeten zweiter Klasse, der vonseiten vieler Deutscher recht offen gepflegt wurde. „Rassistische und nationalistische Diskurse bewirken eine unterschiedliche Wahrnehmung von Tod und Leiden“, sagen die Veranstalter_innen, und genau dagegen möchten sie protestieren.

Am Sonntag beginnt an der Zionskirche (Griebenowstraße 16, 14.30 Uhr) ein Stadtspaziergang mit dem Thema „Schwul-lesbische Emanzipation im Realsozialismus“. Dieses Thema ist spannend, weil es, obschon es offiziell schon recht früh keine Diskriminierung von Homosexuellen in der DDR gab, tatsächlich trotzdem stets beschwiegen und verdrängt wurde. Und, wie der Veranstalter Olaf Brühl zu berichten weiß: „Die Nachricht vom Mauerfall am 9. November 1989 platzte mitten in die Premierenfeier des Defa-Films ‚Coming out‘. Dieser erste filmische Versuch, schwule Emanzipationsbestrebungen explizit im Kino sichtbar zu machen, blieb in den turbulenten Tagen des politischen Umbruchs weitgehend unbeachtet.“ Darüber wird also gesprochen, zugleich werden Orte schwul-lesbischen Lebens in der DDR aufgesucht.

Am Montag wird in der Baiz das Buch „Erotik und Spionage in der Etappe Gent“ von Heinrich Wandt vorgestellt, ein Antikriegsroman, dessen erster Teil bereits 1920 erschienen ist und seinen Verfasser in ärgste Bedrängnis brachte. Der Autor musste in Deutschland um sein Leben fürchten, rettete sich 1922 nach Belgien, wurde aber von den deutschen Behörden entführt, misshandelt und vor dem Leipziger Reichsgericht in einem Geheimprozess zu sechs Jahren Zuchthaus verurteilt. Jörn Schütrumpf, der den Roman nun erneut veröffentlicht hat, stellt das Buch und den Autor vor und wird viel über die spannende Rezeptionsgeschichte erzählen. Ein nötiger Hinweis auf einen Text, dessen Rezeptionsgeschichte so anders ist als die der heute wieder allerorten sehr gelobten Antikriegsromane.

Am Mittwoch schließlich wird im Café Cralle (Hochstädter Straße 10a, 20 Uhr) über den § 218 gesprochen, über seine Geschichte sowie über die radikalen Abtreibungsgegner_innen, die auch in diesem September wieder zu einem „Marsch für das Leben“ aufrufen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen