Polizisten als Wahlkampfhelfer Sarkozys

Mit medienwirksamen Verhaftungsaktionen verabschiedet sich Frankreichs Innenminister Nicolas Sarkozy in den Wahlkampf. Das Rennen um die Präsidentschaft wird in den letzten Wochen immer stärker von nationalistischen Tönen geprägt

AUS PARIS DOROTHEA HAHN

Sieben Stunden verbrachte die Leiterin der Vorschule im 19. Pariser Arrondissement, Valérie Boukobza, am Freitag auf der Polizeiwache. Der Vorwurf gegen die Lehrerin: Sachbeschädigung und Widerstand gegen die Staatsgewalt. Erst nachdem die linken PräsidentschaftskandidatInnen sowie Eltern und KollegInnen aus ihrer Schule protestiert hatten, kam Boukobza am Abend wieder frei.

Für Innenminister Nicolas Sarkozy war die Verhaftung von Boukobza der letzte mediale Coup, bevor er heute sein Ministerium verlässt, um sich ganz auf die Präsidentschaftskampagne zu konzentrieren. Zwei Tage vor Boukobzas Verhaftung hatten Sarkozys Polizisten vor den Toren der Vorschule an der rue Eric Satie einer Frau aufgelauert, die ihre Nichte abholen wollte. Tags drauf einem alten Mann, der auf seine Enkel wartete, die ebenfalls auf die Schule gehen. Was die Tante und der Großvater gemeinsam haben, ist das, was ihnen fehlt: Papiere. Doch die Abführung der beiden gestaltete sich als unmöglich. Eltern, die auf dem Trottoir vor der Schule auf ihre Kinder warteten, stellten sich zwischen Polizei und Angehörige der Schulkinder. Die Polizei setzte Tränengas ein. Kleine Kinder weinten. Eltern schrien. Das Chaos war groß. Als sich Schulleiterin Boukobza am Freitag zwischen die „Fronten“ stellte, wurde sie verhaftet.

„Ich sehe keinen Anlass für eine Polemik“, erklärte der scheidende Innenminister. Die Organisation „Réseau Éducation sans Frontières“ (RESF), die versucht, Schulkinder vor Abschiebungen zu schützen, nennt Sarkozy schon lange den „Minister für die Jagd auf Kinder“. Heute ruft RESF zusammen mit Elternverbänden und Gewerkschaften zu einer Demonstration gegen die Gewalt vor der Vorschule auf.

Wenige Tage vor dem Polizeieinsatz vor der Vorschule brachte sich Sarkozy mit einer anderen spektakulären Verhaftung in die Medien: In dem Fall spielte der Polizeieinsatz im brasilianischen Rio de Janeiro und richtete sich gegen Cesare Battisti. Der Italiener, der in den 70er-Jahren Mitglied einer bewaffneten linksradikalen Organisation war, lebte seit Anfang der 90er-Jahre in Frankreich, nachdem ihm Präsident François Mitterrand Asyl gewährt hatte. Vor drei Jahren war er abgetaucht, nachdem ihn die rechte Pariser Regierung nach Rom ausliefern wollte. Die gut getimte Verhaftung von Battisti erinnert an eine andere Verhaftung, die Sarkozy wenige Tage vor einem Korsika-Referendum organisierte und in die Medien brachte: 2003 ließ er den – seit Jahren gesuchten – korsischen Nationalisten Yvan Colonna verhaften, der wegen Mordes an einem Präfekten verdächtigt wird.

Der Einsatz der Polizei als Mittel im Wahlkampf ist in Frankreich nicht neu. So schlug der damalige Innenminister Charles Pasqua 1988 zwischen den beiden Durchgängen im Präsidentschaftswahlkampf einen Aufstand in Neukaledonien nieder. Dennoch gewann damals der Sozialist Mitterrand die Wahlen.

Nach Ansicht der DemoskopInnen stehen die Chancen diesmal günstig für Sarkozy. Sie prognostizierten ihm an diesem Wochenende, dass er mit 52 Prozent gewinnen würde, wenn er im Mai gegen die Sozialistin Ségolène Royal in die Stichwahl käme. Freilich sagen dieselben Institute voraus, dass Sarkozy kaum eine Chance zum Sieg hat, wenn der andere rechte Kandidat, François Bayrou, in die Stichwahl käme. In diesem Fall, so die MeinungsforscherInnen, würde Bayrou haushoch gewinnen.

Seit Bayrou in den Kulissen droht, hat Sarkozy seinem Wahlkampf eine zunehmend nationalistische Note gegeben. In der letzten Woche kündigte er an, dass er als Staatspräsident ein Ministerium für „Immigration und für die nationale Identität“ einführen wird. Damit appelliert er ganz ausdrücklich an die WählerInnen der rechtsextremen Front National. In den verbleibenden vier Wochen bis zum ersten Durchgang am 22. April dürfte der Wahlkampf immer patriotischer werden. Neuerdings lassen alle drei großen KandidatInnen bei ihren Meetings die Marseillaise absingen. Und am Wochenende empfahl die Sozialistin Ségolène Royal, jeder französische Haushalt solle eine Tricolore anschaffen.

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