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VW wird Familienangelegenheit

Porsche-Clan sichert sich die Chance zur Alleinherrschaft über Europas größten Automobilhersteller. Niedersachsens Ministerpräsident hält das für einen Segen

HANNOVER taz ■ Die Umwandlung der Volkswagen AG in ein Familienunternehmen schreitet voran. Der Sportwagen-Hersteller Porsche, der dem in Österreich ansässigen Familienclan Porsche/Piëch gehört, baut seine Führungsposition als Europas größter Autobauer weiter aus. Der Porsche-Aufsichtsrat hat am Wochenende beschlossen, den Porsche-Anteil an VW von derzeit 27,3 auf bis zu 31 Prozent aufzustocken. Dem Porsche-Kontrollgremium gehören unter anderen Wolfgang Porsche als Vorsitzender, VW-Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch und drei weitere Mitglieder des Familienclans an, der auf den VW-Käfer-Konstrukteur Ferdinand Porsche zurückgeht.

Wie Porsche mitteilte, verfügt das Unternehmen über eine Kaufoption, um die an den 31 Prozent noch fehlenden weiteren 3,7 Prozent VW-Aktien zu erwerben. Der Porsche-Vorstand beabsichtige, die Option kurzfristig auszuüben, hieß es. Er will also die weiteren VW-Aktien schnell kaufen. Weil Porsche damit mehr als 30 Prozent der VW-Aktien erwirbt, muss das Unternehmen zugleich den anderen VW-Anteilseignern ein Übernahmeangebot machen.

Man wolle im Rahmen des Pflichtangebots allerdings den anderen VW-Aktionären nur den gesetzlichen Mindestpreis von knapp 101 Euro pro Stammaktie bieten, erklärte Porsche weiter. Der von Porsche gebotene Preis liegt damit erheblich unter dem letzten Kurs der VW-Aktie, die am Freitag noch mit 117 Euro pro Stück gehandelt worden war. Ein Porsche-Sprecher betonte , dass man Volkswagen derzeit nicht ganz übernehmen wolle. „Wir wollen die Mehrheit im Moment nicht.“ Die gewählte Formulierung schließt einen weiteren Ausbau der Porsche-Beteiligung an VW aber keineswegs aus.

Das Land Niedersachsen, der zweitgrößte VW-Eigner, reagierte postwendend auf die Beschlüsse von Porsche. Das Land begrüßte die Aufstockung des VW-Anteils des Sportwagenherstellers und erklärte mit Blick auf das Pflichtangebot von Porsche, man werde den eigenen 20,4-Prozent-Anteil an VW behalten. Ministerpräsident Christian Wulff ließ mit Blick auf das absehbare Ende des VW-Gesetzes erklären, es sei „ein Segen“, dass VW mit Porsche und Niedersachsen zwei verlässliche und stabile Aktionäre habe.

Das vor dem Europäischen Gerichtshof von der EU-Kommission beklagte VW-Gesetz schützt den Wolfsburger Autobauer bislang vor feindlichen Übernahmen, weil es das Stimmrecht jedes Großaktionärs auf 20 Prozent begrenzt und damit niemand stärker als Niedersachsen werden kann. Der Gerichtshof in Luxemburg wird das aber im Sommer wohl für unrechtmäßig erklären. Durch die Aufstockung des Porsche-Anteils an VW verfügen dann allerdings Porsche und Niedersachsen zusammen über mehr als die Hälfte des VW-Kapitals und können damit gemeinsam weiter eine Übernahme von Volkswagen durch einen Dritten verhindern. Gegen eine langfristige Übernahme von Volkswagen durch Porsche schützt die Allianz aber nicht.

Auf eine neue Machtverteilung im Aufsichtsrat hatten sich Porsche und Niedersachsen bereits geeinigt. Dem Land stehen in dem Gremium zwei und Porsche drei Sitze zu, wobei Ex-VW-Chef Ferdinand Piëch für seinen Familienclan den Vorsitz innehat. JÜRGEN VOGES

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