„Von Jüngerin zur Sünderin“

Vortrag zu antiken Genderkonstruktionen

■ 45, ist Privatdozentin für Neues Testament an der Uni Hamburg. In diesem Jahr ist ihr Buch „Maria aus Magdala“ erschienen.

taz: Gender und Antike, wie passt das zusammen, Frau Petersen?

Silke Petersen: Gut, viele antike Texte reden über die Genderthematik – allerdings anders als heute. Die Geschlechterdifferenz war auch in der Antike ein Thema. Meistens wird dabei „männlich“ dem geistigen Bereich zugeordnet und „weiblich“ dem körperlichen.

Welche Zuschreibung ist übergeordnet?

Meistens die „männliche“. Im Thomasevangelium gibt es einen Dialog zwischen Petrus und Jesus: Petrus möchte Maria Magdalena wegschicken, er meint, die Frauen seien des Lebens nicht würdig. Jesus widerspricht ihm: Maria Magdalena, und auch jede andere Frau, könne dazugehören. Dafür müsse sie aber „männlich“ werden.

Den meisten ist Maria Magdalena als Geliebte Jesu bekannt.

Das stimmt aber für die historische Gestalt Maria Magdalena nicht, darin ist sich inzwischen auch die Wissenschaft einig. Maria Magdalena wurde in ihrer Rezeptionsgeschichte immer wieder als ein Beispiel verwendet, um an ihr wichtige Themen der Zeit zu diskutieren. Im Neuen Testament ist sie Jüngerin Jesu und Zeugin der Osterereignisse. Später wird sie mit einer Sünderin identifiziert oder eben, in der Neuzeit, als Geliebte Jesu.

Woher weiß man, dass sie es doch nicht war?

Die Sünderin-Geschichte steht auch im Neuen Testament, handelt aber von einer anderen Frau, die Jesu Füße wäscht und mit ihren Haaren trocknet. Viel später wird Maria Magdalena dann mit dieser namenlosen Frau identifiziert – in einer Zeit, als Menschen über ihre Sünden nachdachten und Trost in einer Geschichte von Sünde, Umkehr und Vergebung fanden. INTERVIEW: EMS

19 Uhr, Uni Hamburg, Institut für Neues Testament (Raum 0079)