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Archiv-Artikel

Stress und Qual auf Rädern

ERNÄHRUNG Wenn Tiere durch Deutschland gekarrt werden, bleibt der Tierschutz oft auf der Strecke. Ein Bericht der Bundesregierung belegt zahlreiche Verstöße. Statt Strafen gibt es meist Belehrungen

NÜRNBERG taz | Viehtransporte verstoßen oft gegen das Tierschutzrecht. Die Behörden beanstandeten 2013 rund ein Viertel der überprüften Tiertransporte in Deutschland. Das geht aus einem Bericht der Bundesregierung hervor, den die Grüne Bundestagsfraktion angefordert hat.

Mehr als ein Drittel der Transporte von Rindern, Schafen oder Ziegen wies Mängel auf. Bei den Schweinen beanstandeten die Behörden mit 23 Prozent eine geringere Prozentzahl – doch die Gesamtzahl der Tiere und damit der Transporte ist mehr als 15-mal so groß wie bei den Rindern: 73 Millionen Schweine fuhren 2013 durch Deutschland, in den meisten Fällen auf dem Weg ins Schlachthaus.

Das häufigste Problem: Platzmangel durch Überladung. Oft waren die Tiere außerdem nicht voneinander getrennt oder nicht angebunden. Die Fahrtzeit war länger als zulässig, es fehlte an Pausen, Wasser, Futter oder Einstreu. Besonders in Schleswig-Holstein stellten die Behörden immer wieder mangelnde Transportfähigkeit bei Rindern fest, so etwa bei tragenden Kühen, die dann während des Transports ihre Kälber gebaren. Alle diese Faktoren bedeuten großen Stress für die Tiere.

„Ein vernünftiger Tiertransport ist in unserem Sinne“, sagt Michael Lohse vom Deutschen Bauernverband. Die Verantwortung dafür weist er jedoch von sich: „Das hört normalerweise am Stall auf, den Transport machen andere.“

Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, sieht die Politik in der Verantwortung: „Das Tier zu nutzen wird höher bewertet, als es zu schützen. Wir haben ein Tiernutzgesetz, wir brauchen aber ein Schutzgesetz“, fordert er.

In einer großen Zahl von Fällen beachten die Spediteure jedoch offenbar nicht einmal die bestehenden Regeln – und müssen kaum Strafen fürchten. Die häufigste Maßnahme war die mündliche Belehrung der Fahrer. „Es ist skandalös, dass 67 Prozent der Verstöße lediglich mit einem mahnenden Zeigefinger angemerkt wurden“, sagte Friedrich Ostendorff, agrarpolitischer Sprecher der grünen Bundestagsfraktion. Er kritisiert besonders die unzumutbare Transportdauer: „Ein Drittel der Transporte dauert länger als acht Stunden, teilweise über 20 Stunden. Deutschland muss in Brüssel die Initiative ergreifen, um strengere EU-Regeln durchzusetzen.“

Die Große Koalition habe das Thema bislang ignoriert.

Doch die Länder mit ihren mehrheitlich rot-grünen Regierungen könnten Druck machen: Auf der am Donnerstag begonnenen Agrarministerkonferenz haben Hessen und andere einen Antrag für ein Konzept zur strengeren Überwachung eingereicht. Es soll ab 2016 Kontrollen im laufenden Verkehr ermöglichen.

ESTHER WIDMANN