: 17.000 können entscheiden
WOWEREIT-NACHFOLGE
Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus, steht im Grundgesetz. Und festgelegt ist auch, dass Wahlen in Deutschland gleich, allgemein, geheim und frei zu sein haben. In Berlin werden in den nächsten Wochen rund 17.000 Menschen etwas gleicher sein als der 99,32-prozentige Rest der gut zweieinhalb Millionen Wahlberechtigten im Land. Denn sie können als SPD-Mitglieder de facto etwas tun, was de jure gar nicht möglich ist: den Regierenden Bürgermeister direkt wählen.
Den Amtsinhaber unmittelbar bestimmen, das geht in Deutschland nur bei (Ober-)Bürgermeister- oder Landratswahlen. Bei Ministerpräsidenten oder der Bundeskanzlerin können die Wähler nur die Abgeordneten bestimmen, die in Parlamenten dann in Koalitionen diese Regierungschefs wählen. Zwar prägen die Köpfe von Spitzenkandidaten auch die Bundestags- und Landtagswahlen, doch wenn die Parteitagsdelegierten ihr Spitzenpersonal nominieren, wird daraus nicht automatisch der Regierungschef. Da ist immer noch die Unwägbarkeit des Wahlausgangs – also nichts mit Direktwahl. Genau das ist es, was die jetzt anstehende Urwahl so besonders macht: Über Spitzenkandidaten haben die Berliner SPDler schon zweimal entschieden, 1995 und 1999, aber die gingen bei den folgenden Abgeordnetenhauswahlen unter.
Der Mann aber – Frauen wollen ja bislang nicht –, der am 6. November möglicherweise nach einer Stichwahl als Sieger feststeht, wird definitiv der neue Regierende Bürgermeister, weil es ja keine Neuwahl des Parlaments gibt. Offiziell müssen natürlich noch die 47 Abgeordneten der SPD und ihre 38 Kollegen von der CDU im Landesparlament die Entscheidung der sozialdemokratischen Basis bestätigen. Und theoretisch sind diese Parlamentarier keinem Parteivotum, sondern nur ihrem Gewissen verpflichtet und könnten auch Cindy aus Marzahn wählen. Doch dass die in ihren Parteien über viele Jahre sozialisierten Parlamentarier ausscheren, gilt als ausgeschlossen. Das ist alles völlig legal und auch nicht unmoralisch, wie derzeit einige Stimmen behaupten. Üblicherweise kommt Berlin der Regierungschef ja auch nicht mitten in seiner Amtszeit abhanden.
STEFAN ALBERTI