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Archiv-Artikel

Gewinnsucht und zahlreiche Todesfälle

Das rheinische Wegberg hat schon eine privatisierte Klinik: Nun wird dem Chef fahrlässige Tötung vorgeworfen

Was Verdi momentan in Krefeld durch ein Bürgerbegehren verhindern will, vollzog die Stadt Wegberg bereits im Februar vergangenen Jahres. Sie privatisierte ihr defizitäres Krankenhaus. Arnold Pier war der Retter in der Not. Für 25.000 Euro kaufte der Chirurg die St. Antonius Klinik der 30.000 Einwohner-Stadt nahe Mönchengladbach. Damals ahnte noch niemand, dass der aus dem Fernsehen bekannte Spezialist für minimal-invasive Chirurgie heute, nur ein Jahr später, für einen handfesten Skandal im deutschen Krankenhauswesen sorgt.

13 Todesfälle sollen aufgrund von Behandlungsfehlern auf das Konto von Pier gehen. Nun ermittelt die Staatsanwaltschaft Mönchengladbach wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung. „Vier Fälle haben wir bislang gutachterlich untersuchen lassen. Bei zweien stellte sich heraus, dass die Todesursachen auf Behandlungsfehler zurückzuführen sind“, so der Staatsanwalt Lothar Gathen zur taz.

Aufmerksam geworden ist die Staatsanwaltschaft auf den Pfusch durch eine anonyme Anzeige im Dezember vergangenen Jahres. In dem siebenseitigen Schreiben wird Pier beschuldigt, aus reiner Gewinnsucht unnötige Operationen vorgenommen und an Personal und Medikamenten gespart zu haben. Statt mit Desinfektionsmitteln sei Patienten die Bauchhöhle mit „frisch gepresstem Zitronensaft“ ausgespült worden.

Die Kölner Bezirksregierung entzog dem 50-Jährigen, der Klinikeigentümer, Chef der Chirurgie, ärztlicher Leiter und Geschäftsführer des Krankenhauses war, nun vorerst die Approbation. Die Klinik darf er jedoch weiterführen. Für Reiner Priggen, Fraktionsvize der Grünen im nordrhein-westfälischen Landtag, Grund, eine parlamentarische Anfrage zu stellen. „Das Gesundheitsministerium muss nun überprüfen, wie künftig ein fachgerechter und für die Patienten sicherer Betrieb gewährleistet werden kann“, fordert Priggen.

Wann und ob es zu einer Anklage gegen Pier kommen wird, ist noch unklar. Zunächst müssten die weiteren ungeklärten Todesfälle untersucht werden, erklärt Lothar Gathen. „Nach meinen Informationen will der Anwalt des Beschuldigten sich nun um ein Gegengutachten bemühen. Dazu müssen wir ihm die Gelegenheit geben.“

Die Ermittlungen könnten sich allerdings schwierig gestalten. „Da Pier immer noch Klinikchef ist, müssten Mitarbeiter gegen ihren Vorgesetzten aussagen“, sagt der Grüne Parlamentarier Priggen.

STEPHANIE KASSING