: Weg mit der pinken Brille
SEXISMUS Rosa statt Blau, sozial statt aggressiv – wir kennen die Klischees, die Natasha Walter in ihrem Buch „Living Dolls“ als allgegenwärtig anprangert
Sexy, blöd grinsend und in Rosa gekleidet ziert Barbie das Cover von „Living Dolls – warum Frauen lieber schön als schlau sein wollen“, dem neuen Buch der britischen Journalistin Natasha Walter.
Barbie ist der Inbegriff des weiblichen Stereotyps: Frauen müssen sexy sein. Trotz sexueller Befreiung ist das Starren auf den weiblichen Körper leider nicht Geschichte, sondern für Walter der allgegenwärtige, „neue Sexismus“. Neu daran sei der Wunsch, mit Sexappeal zu punkten. Sich sexuell befreit zu geben, werde von den Frauen auch noch als ihre eigene Entscheidung, als Selbstermächtigung verkauft. Letztlich aber blieben sie machtlos.
Der „neue Sexismus“ wird nach Walters Beobachtungen begleitet von einer Fülle an wissenschaftlichen Studien, die das Klischee von der Rosa liebenden, fürsorglichen, Mathe hassenden Prinzessin als naturgegeben und damit unabänderlich präsentieren. Wer nicht glauben kann, dass die „britische, weitgehend heterosexuelle Welt“ tatsächlich so tickt, dem bietet Walters eine geballte Ladung an Gegenstudien, Analysen diverser kultureller Erscheinungen und Einzelschicksalen von Frauen, die von ihren Erfahrungen berichten.
Kalauer wie der, dass Frauen schlechter einparken, seien nur die oberste Schicht einer tiefgreifenden „hypersexualisierten Kultur“, in der die Hälfte der weiblichen Teenager einer Umfrage zufolge Glamour Modelling als Traumberuf haben.
Sogar die Prostitution rücke in die Mitte der Gesellschaft und werde „unter Umständen als erstrebenswerte Beschäftigung für eine Frau“ angesehen, so Walter. In Ermangelung einer Alternativkultur dienten poledancende Spice Girls, vollbusige Comic-Heldinnen oder Lara Croft schon für Mädchen als Vorbilder. Natürlich seien nicht alle Frauen gleichermaßen von dieser „hypersexualisierten Kultur“ beeinflusst. Aber auf der anderen Seite seien selbst die mächtigsten Frauen wie Angela Merkel, Hillary Clinton oder Ségolène Royal mit der Reduktion auf ihre körperlichen Attribute konfrontiert.
Walter wiederholt gebetsmühlenartig die faktische und produzierte Ungleichheit, bis man den Eindruck hat, dass die stete Wiederholung die Unterschiede noch untermauert. Die pinke Brille der Feministin blendet beispielsweise aus, wo Selbstermächtigungen wirklich greifen. Wäre es nicht sinnvoll, statt immer wieder anzuprangern, dass eine Alternativkultur fehlt, genau diese zu pushen?
EMILY THOMEY
■ Natasha Walter: „Living Dolls. Warum junge Frauen heute lieber schön als schlau sein wollen“. Aus dem Engl. v. Gabriele Herbst. Krüger Verlag, Frankfurt 2011, 330 Seiten, 19,95 Euro