: Grüne gegen Billigsaufereien
Die kleine Oppositionspartei will das „Flatrate-Saufen“ stoppen. Per Bundesratsinitiative sollen Dumping-Alkoholika verboten werden. Schwarz-Gelb ist gegen „einfallslose Verbotspolitik“
VON MARTIN TEIGELER
Auf ihrer Internetseite gibt sich die grüne Fraktionsvorsitzende Sylvia Löhrmann als Kennerin guter italienischer Weine zu erkennen. „Panzanello aus Panzano und Buondonno aus La Piazza“, benennt die Oppositionspolitikerin zwei ihrer Toskana-Lieblingsweine. Auch das Piemont und Südtirol böten „eine Vielzahl herrlicher Tropfen: Erwähnt seien Barbera und Barolo von Claudio Alario aus Diano d‘Alba sowie die weißen und roten Weine vom Stroblhof in St. Michael/Eppan“. Doch auch die deutschen Anbaugebiete seien „nicht zu verachten“, so Löhrmann: „Das Weingut Hans Lang in Hattenheim im Rheinbau hält hervorragende Rieslinge, aber auch Spätburgunder bereit. Und der Hirschhof in Westhofen im Wonnegau überzeugt mich immer wieder mit wunderbaren roten wie weißen Bioweinen.“
Die private Liebhaberei für den Rebensaft schlägt im politischen Raum plötzlich in puritanische Enthaltsamkeit um. In einem von Löhrmann mit unterschriebenen Antrag der NRW-Grünen, der heute im Landtag beraten wird, heißt es: „Nach wie vor werden in unserer Gesellschaft kulturell akzeptierte Drogen wie Alkohol verharmlost.“ Die Werbung suggeriere, dass „der Konsum von Alkohol Spaß, Stimmung, Freundschaft bringt und schreibt ihm viele andere positive Eigenschaften zu“. Die „Gefahren und Risiken“ würden leider verschwiegen, heißt in dem Grünen-Antrag.
Die kleine Oppositionspartei führt einen Feldzug gegen die Komasauferei. Das so genannte „Flatrate-Saufen“ wollen die Grünen gesetzlich verbieten – das Land solle deshalb eine Bundesratsinitiative gegen billigen Fusel und Niedrigpreis-Alkoholika starten. „Unsere Recherchen haben ergeben, dass auch in NRW Flatrate-Saufen angeboten wird“, sagt Barbara Steffens, gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen-Landtagsfraktion. Einige Geschäfte und Lokale lockten Kinder und Jugendliche mit Dumping-Angeboten an.
In jüngster Zeit hatte es bundesweit vermehrt Kritik an solchen „All-you-can-drink“-Veranstaltungen gegeben, bei denen Jugendliche nach Zahlung einer Pauschale unbegrenzt Alkohol trinken dürfen. Ausgelöst worden war die Debatte durch den Fall eines 16-Jährigen, der nach einem Tequila-Wetttrinken in einer Berliner Diskothek ins Koma gefallen war – echtes Komasaufen eben.
In Großbritannien wird bereits seit einigen Jahren öffentlich über die Risiken des adoleszenten „Binge-Drinking“ (Binge ist der englische Begriff für ein Gelage) diskutiert. Die Wissenschaftler sind sich nicht ganz einig: Die Kölner Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung attestierte in ihrer letzten Statistik einen Anstieg des Jugendsaufens. Sozialforscher sehen keinen generellen Anstieg, sondern vielmehr spezielle Trends (siehe Interview).
Die schwarz-gelbe Koalition wird dem grünen Antrag heute im Düsseldorfer Landtag nicht zustimmen. „Was die Grünen machen, ist wieder einmal einfallslose Verbotspolitik wie bei Glühbirnen und Billigfliegern“, sagt Stefan Romberg, Gesundheits- und Jugendexperte der FDP-Landtagsfraktion. Die gesetzlichen Regelungen zum Schutz der Jugendlichen seien ausreichend. „Es muss aber mehr kontrolliert werden.“
Auch die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Sabine Bätzing (SPD), fordert strengere Kontrollen, ist aber gegen ein generelles Alkoholverbot für unter 18-Jährige. Stattdessen will sie Jugendliche in Zukunft verstärkt über die Risiken des Wasserpfeifen-Rauchens aufklären. Bei einem Besuch im Zollkriminalamt Köln sagte Bätzing jetzt, die Jugendlichen unterschätzten die Gefahren, die von dem hohen Schadstoffgehalt der Wasserpfeifen ausgingen. „Eine Wasserpfeife enthält zehn Mal mehr Schadstoffe als eine Zigarette“, so Bätzing. Und die Grünen? Zum Thema Wasserpfeifen findet sich auf der Sylvia-Löhrmann-Webseite kein Erlebnisbericht.