Nur Keuschheit hilft

Paderborner Frauen müssen zur Abtreibung in andere Städte fahren. Im gesamten Kreis gibt es keinen Arzt, der einen Schwangerschaftsabbruch vornimmt. „Wer anfängt, ist der Abtreiber“

VON KATHARINA HEIMEIER

Paderborn ist eine abtreibungsfreie Gegend: In dem katholisch geprägten Kreis gibt es nach Angaben von Beratungsstellen weder einen Arzt noch ein Krankenhaus, das einen Schwangerschaftsabbruch vornimmt. Die Frauen müssen in die angrenzenden Städte wie Detmold, Bielefeld, Gütersloh oder sogar bis ins hessische Kassel fahren. „Das ist schon heftig“, sagt Elke Degner, Leiterin der Schwangerschaftskonfliktberatung beim FreienBeratungsZentrum Paderborn. Die Fahrtzeiten in andere Kreise seien für die Frauen eine Belastung.

Der Kreis Paderborn steht mit seiner Abtreibungspraxis offenbar bundesweit allein da. „Ich kenne keinen anderen Fall“, sagt Christian Albring, Präsident des Berufsverbandes der Frauenärzte. Er könne sich vorstellen, dass die besondere Situation in Paderborn mit der katholischen Prägung des Kreises zusammen hängt. Tatsächlich sind dort alle Krankenhäuser mit gynäkologischen Abteilungen in kirchlicher Trägerschaft, wie Elke Degner vom FreienBeratungsZentrum berichtet. „Paderborn ist ein sehr katholisches Pflaster“, sagt auch Beate Marchetti von der dortigen Anlaufstelle der katholischen Schwangerenberatung Donum Vitae.

Dennoch müsste nach Ansicht der Frauenärztin Brigitte Hunstig-Inkmann kein Paderborner Arzt mit besprühten Hauswänden rechnen, falls er Abtreibungen vornehmen würden. Die Zeit solcher Anfeindungen sei vorbei. „Das war vielleicht vor zehn Jahren so.“ Aber noch immer gibt es ihrer Meinung nach Gründe, warum kein Gynäkologe in Paderborn eine Abtreibung vornimmt. „Wenn jetzt einer damit anfangen würde, dann wäre er gleich der Abtreiber – das heißt, er müsste seinen Schwerpunkt darauf verlegen.“

Beate Marchetti von Donum Vitae sieht auch einen Vorteil im weiten Weg zur Abtreibung. „Für manche Frauen ist es leichter“, sagt sie. „Denen ist es ganz lieb, dass sie nicht ständig an dem Haus vorbeigehen müssen, in dem es passiert ist.“ Für andere Frauen, beispielsweise für Asylbewerberinnen, sei es dagegen schwierig, zur Abtreibung in einen anderen Kreis zu fahren. „Sie kennen oft niemanden, der ein Auto besitzt.“ Dennoch habe man sich mit der Situation abgefunden. „Wir haben uns daran gewöhnt“, sagt Marchetti. Für die Frauen stünden ohnehin andere Dinge im Vordergrund als die Frage, wo abgetrieben werden kann, sagt Beate Groepper von der Beratungsstelle für Familienplanung und Schwangerschaftskonflikte des Kreises.

Ändern wird sich an der Situation in Paderborn wohl nichts. „Als Land haben wir darauf keinen Einfluss“, sagt Barbara Löcherbach, Sprecherin des Frauenministeriums. Ärzte und Kliniken dürften selber entscheiden, ob sie Abtreibungen vornehmen. „Die Ärzte können nicht gezwungen werden“, sagt auch Albring vom Berufsverband der Frauenärzte. „Wir können nur hoffen, dass das Beispiel Paderborn nicht auch noch woanders auftaucht.“