„Das ist ein Niedergangsprozess“

Die Springer AG übernimmt die Mehrheit an hamburg.de. Damit sei die Chance endgültig verspielt, das Internetportal der Stadt als eine unabhängige Plattform zu etablieren, meint der Hamburger Medienexperte Hans J. Kleinsteuber

HANS J. KLEINSTEUBER, 63, beschäftigt sich als Professor für Politikwissenschaft an der Universität Hamburg mit Medienthemen.

taz: Herr Kleinsteuber, Springer übernimmt hamburg.de, das Internetportal der Stadt Hamburg. Was sagen Sie dazu?

Hans J. Kleinsteuber: Ich finde das bedenklich, wenn man sich die marktbeherrschende Stellung der Axel Springer AG auf dem Hamburger Medienmarkt anschaut. Dort ist das Unternehmen absolut beherrschend im Tageszeitungsbereich, auch bei den Anzeigenblättern. Es ist wesentlich beteiligt an zwei Radiostationen und dem einzigen Ballungsraum-Fernsehsender.

Auf hamburg.de steht schon die Stellungnahme, dort scheint man mit der Übernahme sehr zufrieden zu sein. Dadurch gebe es großartige Synergie-Effekte, und die Kompetenz des neuen Partners werde das Angebot stärken.

Das sind PR-Statements der Nutznießer. Gerade wenn sie heute hamburg.de anschauen, finden Sie euphorische Pressemitteilungen des Senats und der Springer AG, die außerdem noch ganz ähnlich klingen. Keine dritte Stimme aus der Stadt, keine Kritik. Und genau das erwarten wir nicht von einem publizistischen Medium. Dort erwarten wir Vielfalt, Distanz und unabhängige Berichterstattung.

Naja, bisher war hamburg.de ja auch kein Glanzlicht des Journalismus. Glauben Sie, dass die Seite vielleicht auch interessanter werden könnte, wenn Springer einsteigt?

Moment, als hamburg.de Ende der 90er als Joint-Venture zwischen der Stadt und den norddeutschen Sparkassen gegründet wurde, gab es ein ganz anderes und wie ich finde, sehr viel spannenderes Konzept. Es ging um die drei Säulen Staat, Wirtschaft und Bürger, die sich jeweils ergänzten. Auf einem speziellen Bürgerportal konnten Vereine und Intitiativen ihre Aktivitäten darstellen. Eine eigene Redaktion sollte die Stadt journalistisch mit unabhängiger Stimme versorgen.

Davon ist aber nichts übrig geblieben.

Dieses Konzept ist mit dem Regierungswechsel 2001 beendet worden …

als der CDU-Mann Ole von Beust Bürgermeister wurde …

… aber es demonstriert, was man mit einem solchen Stadtportal machen könnte, wenn man es in seiner Breite einsetzt. Wir sollten nicht vergessen, dass hier sehr viel mehr möglich ist, als wir in der Stadt gerade sehen.

Wie könnte sich der Auftritt der Stadt verändern, wenn Springer übernimmt?

Ich habe schlicht die Sorge, dass alles, was an publizistischem Material auf hamburg.de läuft, unmittelbar aus Springer-Redaktionen kommt, dass gleichzeitig auch für Springer-Produkte geworben wird, also „Lesen Sie mehr“, oder: „Hören Sie mehr auf folgenden Kanälen.“ Und ich fürchte, dass die Chance, eine unabhängige Plattform für öffentliche Meinungsbildung herzustellen, vollends verspielt ist.

Positive Effekte sehen Sie keine? Vielleicht einen professionelleren Auftritt?

Was soll ich positiv sagen? Das ist ein Niedergangsprozess. Sie sollten wissen, dass in den 90er Jahren Springer ein Konkurrenzportal zu hamburg.de plante. Das ist gescheitert, und jetzt bekommen sie das Original, das „offizielle Stadtportal“, wie es in der Pressemeldung von Springer heißt.

Gutes fällt Ihnen zu der Übernahme also nicht ein?

Nun ja, hamburg.de ist in den letzten Jahren nicht gut gemanagt worden, es hat Verluste gemacht. Ich denke schon, dass die Manager von Springer zwar Personal abbauen, den Laden aber auch in die Gewinnzone bringen werden. Aber das ist kein Gewinn für die Stadt, sondern lediglich für ein Zeitungshaus.

INTERVIEW: DANIEL WIESE