DIE ÄRZTE WOLLEN KEIN GESETZ ÜBER PATIENTENVERFÜGUNGEN
: Die Werte des Patienten haben Vorrang

Patienten stören Ärzte, zynisch gesagt, oft bei der Arbeit. Sind sie bei Bewusstsein, muss man ihnen alles erklären und für jeden Behandlungsschritt ihre Zustimmung einholen. Das ist schon anstrengend genug. Und jetzt wollen sie per Patientenverfügung auch noch vorab festlegen, was Ärzte in einer bestimmten Situation tun und lassen sollen, falls das Bewusstsein verlorengeht.

Da kann nichts Sinnvolles herauskommen, denken viele Ärzte. Denn die Patienten schreiben ihren Willen ja nieder, ohne ihren konkreten Krankheitsverlauf zu kennen und ohne genau über die inzwischen möglichen Behandlungsoptionen Bescheid zu wissen. Wer möglichst effizient Leben retten und erhalten will, kann nichts anfangen mit Patientenverfügungen, die vage andeuten, dass man „später nicht an Schläuchen hängen will“.

Vermutlich deshalb hält die Bundesärztekammer das geplante Gesetz, das die Verbindlichkeit von Patientenverfügungen regelt, für überflüssig. Ärztepräsident Hoppe begründet seine Haltung zwar damit, dass solche medizinischen Anweisungen heute schon verbindlich seien. Doch tatsächlich ist die Rechtslage unklar. Und vermutlich wäre es vielen Ärzten ganz recht, wenn die Patientenverfügungen im Graubereich blieben.

Die Ärzte können sich beruhigen. Auch verbindliche Willensäußerungen sind auslegbar. Der 25-jährige Motorradfahrer hat sicher nichts dagegen, wenn ihm nach einem Unfall eine kurzfristig wirksame Bluttransfusion gelegt wird – trotz der Schläuche, die er in seiner Verfügung abgelehnt hat. Niemand wird von Ärzten absurdes Verhalten verlangen, nur weil es der allzu strikt formulierten Vorgabe eines Patienten entspricht, mit dem man nicht mehr diskutieren kann.

Allerdings müssen Ärzte dort zur Beachtung des Patientenwillen gezwungen werden, wo es um Wertefragen geht. Wenn ein Mensch sich ein „Sterben in Würde“ wünscht und deshalb das Leben im Wachkoma oder in Demenz nicht künstlich verlängert wissen will, dann ist das zu respektieren und nicht mehr mit einer ärztlichen „Lebensschutzpflicht“ wegzudefinieren. CHRISTIAN RATH