Der Spuk ist vorbei

SIEGER Werder-Fans haben ein neues Saisonziel in der Fußball-Bundesliga: den HSV zu überholen

Für den Wendepunkt in dieser verkorksten Saison waren die Fans verantwortlich

Das phantasievollste Transparent hatten diesmal die Werder-Fans mitgebracht. Bei Spielbeginn entrollten Sie in der Nordgeraden des Millerntor-Stadions den Spruch: „Wir haben keine Angst vor Gespenstern.“ Das spielte nicht nur auf das nur knapp verhinderte Geisterspiel am Millerntor an, sondern auch auf das Abstiegsgespenst.

Nach dem 3:1-Auswärtssieg gegen den FC St. Pauli besteht für die Werder-Fans kaum noch Anlass, vor dem Abstieg Angst zu haben. Sechs Punkte und fünf Plätze Abstand hat das Team von Thomas Schaaf drei Spieltage vor Saisonschluss auf den Relegationsplatz. Damit kann man sich zwar noch nicht in letzter Sicherheit wiegen, aber doch beruhigt in den Endspurt gehen.

Nach einem Liga-Endspurt sahen die ersten 45 Minuten in der Partie gegen St. Pauli allerdings nicht aus. Da agierten die Bremer gegen die läuferisch starken, aber spielerisch limitierten Gastgeber tatsächlich wie ein Abstiegskandidat. Kaum ein Pass kam an und die Bewegungsabläufe stimmten nicht.

„Wir woll’n euch kämpfen sehen“, schallte es den Grün-Weißen zu Beginn der zweiten Halbzeit nun aus der Nordgeraden entgegen und sofort schaltete das Team zwei Gänge höher. Ein Eigentor und zwei Geniestreiche von Claudio Pizarro reichten schließlich, um die schnell resignierenden Hamburger ans Tabellenende zu befördern.

Der Wendepunkt dieser ganzen verkorksten Saison lässt sich genauso exakt terminieren wie der in diesem Spiel. Seit dem Höhepunkt des Grauens, der 0:4-Niederlage beim HSV, hat Werder kein Spiel mehr verloren und Schritt für Schritt die gefährliche Zone verlassen. Der Abstiegskampf hat endlich die Kräfte freigesetzt, die in dem personell geschwächten Team immer noch schlummern.

Auch für diesen Wendepunkt kam der Weckruf von den Fans, die den Mannschaftsbus nach der Rückkehr vom Spiel gegen den HSV auf der Rampe zum Weserstadion stoppten – und die Spieler eben nicht beschimpften, sondern ihnen „Mut machten“, wie Werder-Sportdirektor Klaus Allofs anerkennend sagte.

Für die Fans gibt es nun plötzlich ein weiteres Saisonziel, an das sie vor Wochen in ihren kühnsten Träumen nicht mehr gedacht haben. Die Nummer Eins im Norden ist zwar schon an Hannover 96 vergeben, aber auf den Erzrivalen HSV sind es nur noch fünf Punkte Abstand. In zwei Heimspielen gegen Wolfsburg und Dortmund sowie einem Auswärtsspiel beim 1. FC Kaiserslautern haben die Spieler noch Gelegenheit, sich für die Motivationshilfen zu bedanken.

RALF LORENZEN