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Archiv-Artikel

Grüne werfen Wulff Gutachteritis vor

Zu viel Expertise bei Niedersachsens Landesregierung? Grünen-Fraktionschef Wenzel attackiert Ausgaben für Berater – und dass Schwarz-Gelb Verantwortung auslagere. CDU und FDP sehen verfrühten Aprilscherz

Es war ein grandioser Aufschlag zur besten Sendezeit: In der TV-Talkrunde von Sabine Christiansen warf Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) vor gut drei Jahren dem Berater-Guru Roland Berger dessen vermeintliche Gefälligkeitsgutachten für die SPD-Vorgängerregierung vor. „Man kann die Verantwortung nicht übertragen auf die Gutachter“, sagte Wulff, „und hinterher den Steuerzahler dafür zahlen lassen.“ Der Attacke auf die „Gutachteritis“ der SPD schloss sich eine Schlammschlacht an, bei der herauskam, dass der damalige SPD-Oppositionschef Sigmar Gabriel zu Regierungszeiten sogar 35.000 Euro für Berater gezahlt hatte, um öfter ins Fernsehen zu kommen.

Gestern versuchten nun die Grünen, ein bisschen Dreck Richtung Wulff zurückzuschmeißen. Ihr Fraktionschef Stefan Wenzel präsentierte eine Liste mit 82 Gutachten, die von der schwarz-gelben Landesregierung in Auftrag gegeben worden seien, und monierte die „bemerkenswerte Steigerungsrate“ bei den Kosten: Neun Millionen Euro habe die Wulff-Truppe 2006 an externe Gutachter ausgegeben – doppelt so viel wie 2005 oder in den meisten Jahren unter SPD-Regierungen.

Wenzel sprach vom „WUV-Prinzip: Wulffs unverantwortliche Verantwortungslosigkeit“. Er schimpfte, dass das Land beim Verkauf der Landeskrankenhäuser (LKH) nicht die die Verantwortung für Fehler der eigenen Berater übernahm: Der bei der Ausschreibung zunächst siegreiche Bieter kam nicht zum Zug, nachdem die Berater das Angebot sechs Minuten zu spät entgegengenommen hatten. Nun sprechen die Gerichte. Auch beim Transrapid-Unglück schiebe das Land die Schuld „auf nachgeordnete Behörden und den TÜV ab“, sagte Wenzel. „Wenn’s schief geht, sind die anderen schuld, wenn’s gut geht, hat das Herr Wulff gemacht.“ Allerdings, musste der Grüne einräumen, kam die Steigerung bei den Gutachter-Kosten im vergangenen Jahr vor allem durch den LKH-Verkauf zustande – und diese externe Expertise findet auch er selbst in Ordnung.

Was CDU-Fraktionschef David McAllister „begrüßte“. Ansonsten betreibe der Grüne mit „fadenscheinigen Argumenten außerparlamentarisch Klamauk“, befand McAllister. Von einem „missglückten und verfrühten Aprilscherz“ des Grünen sprach auch Jörg Bode von der FDP: „Wir verstecken uns nicht bei jeder Entscheidung hinter Gutachtern, aber wir nutzen ihr Fachwissen zum Wohle des Landes.“ Kai Schöneberg