: Steuern für Firmen müssen runter!
PRO: Die geplante Reform der Unternehmensteuern wird kein Geld kosten. Stattdessen verhindert sie, dass noch mehr Arbeitsplätze und Gewinne ins Ausland verlagert werden
Lothar Binding ist Bundestagsabgeordneter und SPD-Finanzexperte. Seine 48-seitige Verteidigung der Unternehmensteuerreform findet sich unter www.lothar-binding.de.
SPD-Finanzminister Peer Steinbrück hat Recht, wenn er die Steuerbelastung für die sogenannten Kapitalgesellschaften senken will – also für Aktiengesellschaften und GmbHs. Denn auf den Gewinn dieser Unternehmen müssen 54 Prozent Steuern bezahlt werden.
Gewinne von Kapitalgesellschaften werden vier verschiedenen Steuerarten unterworfen. Da ist die Körperschaftsteuer von 25 Prozent, die Gewerbesteuer von 14 Prozent, der Solidarzuschlag von 1 Prozent – sowie die persönliche Einkommensteuer. Sie beträgt 45 Prozent, aber der Anleger muss sie nur auf die Hälfte der ausgeschütteten Gewinne entrichten. Zusammengenommen sind dies die höchsten Unternehmensteuern in Europa. Theoretisch.
Praktisch hingegen animiert dies zur Gewinnverlagerung ins Ausland, zumal sich die Konzerne immer stärker internationalisieren. Die geplante Steuerreform soll diesen Prozess der Steuerflucht zunächst anhalten, dann umkehren. Sie soll verhindern, dass immer mehr Gewinne, aber auch Betriebe und Arbeitsplätze verlagert werden.
Beschlossen ist noch nichts. Der Gesetzesentwurf wird heute in den Bundestag eingebracht. Das Paket umfasst vier Kernelemente:
1. Gewinnverlagerungen und Steuersparmodelle werden erschwert.
2. Der Körperschaftsteuersatz wird von 25 auf 15 Prozent gesenkt.
3. Die Einkommensteuer auf die halbe Dividende wird durch die Abgeltungsteuer von 25 Prozent plus Soli auf die volle Dividende ersetzt – wird also angehoben.
4. Die Bemessungsgrundlage für die Gewerbesteuer wird durch Hinzurechnungen wie etwa Zinsen und Leasingkosten verbreitert.
Damit senkt die Reform die Steuern für jene Unternehmen, die schon heute den Gewinn fair versteuern. Vielen anderen Firmen nimmt sie jedoch das Motiv und auch die Möglichkeit, ihren Gewinn trickreich und aufwändig zu verlagern.
Kritiker wie auch Lorenz Jarass wenden nun immer ein, die Reform würde 5 oder gar 10 Milliarden Euro jährlich kosten. Doch dies sind vage Schätzungen. Weder die 5 noch die 10 Milliarden sind halbwegs nachvollziehbar zu berechnen. Die geplanten Strukturveränderungen wirken hingegen dauerhaft. Übrigens verhandelt Peer Steinbrück seit Jahren mit anderen EU-Ländern über eine Steuerharmonisierung.
Wie Lorenz Jarass fragen viele Kritiker, was die gesenkten Steuersätze bringen sollen, wenn etwa Estland einen Satz von 0 Prozent verlangt oder Zypern nur 10 Prozent und Irland 12,5 Prozent auf Unternehmensgewinne fordert. Auf diese internationale Steuerkonkurrenz reagiert die geplante Steuerreform, indem sie die Gewinnverlagerung erschwert und Investitionen in Deutschland erleichtert.
Ein Beispiel: Bisher finanzieren international agierende Firmen ihre Investitionen in Deutschland oft mit „Fremdkapital“ ausländischer Tochterfirmen. Sie bezahlen Zinsen quasi an sich selbst. Durch diese steuerlich geltend gemachten Finanzierungskosten transferieren sie ihre Gewinne in ein Land mit niedrigeren Steuersätzen. Daher enthält die Unternehmensteuerreform die so genannte „Zinsschranke“: Eine Firma darf Zinskosten nur noch bis zu 30 Prozent steuerlich geltend machen.
Kritiker wie Lorenz Jarass monieren häufig, dass die Regierung die degressive Abschreibung abschafft, um die Reform zu finanzieren. Dabei wird übersehen, dass die Abschreibung erhalten bleibt – nur zeitlich gestreckt. Das ist zu vertreten, wenn die Konjunktur boomt und weil die Firmen durch die Steuersenkung dauerhaft mehr Mittel für Investitionen haben.
Das Unternehmensteuerrecht ist kompliziert. Das ist leider nötig. Denn wir Deutschen machen weder Gesetze in den USA noch für Andorra – Konzerne agieren aber weltweit.
LOTHAR BINDING