: Nahverkehr kürzt Taschengeld
Der größte Verkehrsverbund in NRW überweist der Bahn aus Protest eine Million Euro weniger: Sie sei für Verspätungen und schlechte Qualität der Züge verantwortlich, sagt der VRR
VON DIRK ECKERT
Geht es ans Geld, tut sich plötzlich was bei der Deutschen Bahn. Kaum hat der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) angekündigt, der Bahn AG ab dem 1. April eine Million Euro im Monat weniger zu überweisen, übt sich das Unternehmen in ungewohnter Selbstkritik: „Wenn wir unpünktlich sind, ist es das gute Recht der Verkehrsverbünde, das zu monieren“, sagt ein Bahn-Sprecher. „Wir tun alles, um die Pünktlichkeit zu verbessern.“ Und Sauberkeit? „Da können wir besser werden“, gibt er zu.
Die Demut bei der Bahn hat ihren Grund: Der VRR hat am Donnerstag einen neuen Bericht über die Qualität von Regional- und S-Bahnen zwischen Rhein und Ruhr vorgelegt. „Damit ist es uns erstmals gelungen, alle Leistungen transparent zu machen“, sagt VRR-Sprecherin Sabine Tkatzik. Der „Qualitätsbericht“ fällt nicht gut aus für die Bahn, die im Auftrag des VRR den Nahverkehr betreibt und dafür jedes Jahr 400 Millionen Euro bekommt. So waren 2006 mehr Züge unpünktlich als im Vorjahr. Ab September 2006 registrierte der VRR eine weitere Verschlechterung aufgrund von Baustellen und Schienenabschnitten, die langsamer befahren werden mussten.
Einer der Züge, die unpünktlicher geworden sind, ist der Regionalexpress 1 von Aachen über Köln, Düsseldorf, Dortmund nach Hamm, immerhin die Linie mit den meisten Fahrgästen in NRW. Vor allem bei den S-Bahnen kam es zu nicht vorhersehbaren Ausfällen und massiven Verspätungen. Eine S-Bahn zum Beispiel sollte im November 2006 an einem Tag 125 Mal fahren, tatsächlich fielen 20 Fahrten ganz oder teilweise aus, 55 Züge verspäteten sich um mehr als fünf Minuten.
Wegen anhaltender Mängel bei den Linien S6 und S8 will der VRR nun die Million vorerst behalten. „Wir werden die vorerst einbehaltenen Gelder erst dann an die Deutsche Bahn weiterleiten, wenn sich die Situation spürbar gebessert hat“, sagte VVR-Vorstandssprecher Martin Hausmann am Donnerstag in Gelsenkirchen. Der VRR habe vorher versucht, die Probleme mit der Bahn zu regeln. Nachbesserungen seien dennoch nicht erfolgt.
Juristisch sieht sich der VRR auf der sicheren Seite: Der Betrag von einer Million ergebe sich aus den Verträgen mit der Bahn, in denen geregelt ist, wie viel der Verkehrsverbund am Ende eines Jahres für nicht erbrachte Leistungen einbehalten darf. In 2005 waren das beim VRR zum Beispiel 5,3 Millionen Euro. Die jetzt beschlossenen Kürzungen von einer Million Euro im Monat gingen aber über die üblichen Abzüge hinaus, sagt Sprecherin Tkatzik.
Die weiteren Verkehrsverbünde in Nordrhein-Westfalen beobachten den Fall VRR interessiert. Schließlich gibt es überall im Land ähnliche Erfahrungen mit dem Zugunternehmen. „Zufrieden kann man nicht sein“, sagt Uli Beele vom Zweckverband Ruhr-Lippe (ZRL). „Die Bahn hat sich seit ihrer Privatisierung nicht nur positiv entwickelt.“ Besondere Kürzungen seien aber nicht geplant. Nach Ablauf eines Jahres werde mit der Bahn abgerechnet, wobei schon mal sechsstellige Beträge einbehalten würden, berichtet Beele.
Auch in anderen Verkehrsverbünden werden Verspätungen still und leise im Rahmen der üblichen Verträge abgerechnet. Manche wollen die genauen Zahlen lieber nicht nennen. „Wenn die Pünktlichkeitsquote nicht erreicht wird, gibt es Abzüge“, sagt Ludger Siemer, Geschäftsführer beim Verkehrsverbund Ostwestfalen-Lippe. Damit gehe man aber nicht an die Öffentlichkeit.