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Archiv-Artikel

Kinder-Casting im Akkord

Um schwarzen Schafen ihrer Branche den Boden zu entziehen, gründeten Kinder-Darstelleragenturen einen Verband. Agenturchefin Christiane Dreikauss erklärt, worauf Eltern achten sollten

CHRISTIANE DREIKAUSS, 42, leitet seit 2001 gemeinsam mit ihrem Mann Patrik Dreikauss die Schauspielschule und Agentur New Talent in Hamburg

INTERVIEW: KAIJA KUTTER

taz: Frau Dreikauss, Sie haben gerade zusammen mit 23 anderen Agenturen den „Verein deutscher Nachwuchsdarstelleragenturen“, kurz VDNA, gegründet. Warum?

Christiane Dreikauss: Wir wollen gemeinsam stärker die Rechte von Kindern und Jugendlichen in Filmproduktionen wahren. Wir werden unterstützt von der Medienpädagogin Brigitte Theis in Köln, die mit dem Kinderschutzbund zusammen arbeitet. Und es ist unser Wunsch, den schwarzen Schafen der Branche den Boden zu entziehen.

Wer sind denn die schwarzen Schafe?

In Hamburg beteiligen sich sechs Agenturen am VDNA und es gibt eine Agentur, die nicht seriös arbeitet. Namen dürfen wir nicht nennen. Aber wir werden Standards entwickeln, die wir ab Mai auf unserer Homepage unter www.vdna.info veröffentlichen. Dort werden wir all jene Agenturen auflisten, die seriös arbeiten. Und diese dürfen sich dann VDNA-Mitglied nennen.

Was tun die schwarzen Schafe?

Da gibt es eine lange Palette. Die reisen durch Deutschland, bezeichnen sich als Casting Agenturen – ein Begriff, den es gar nicht gibt. Die gastieren in Hotels oder Indoorspielplätzen und nehmen von den Eltern für jedes Foto, das gemacht wird, zehn bis 50 Euro. Damit werden diese Damen und Herren dann reich. Es gibt eine Agentur, die auch bald nach Hamburg kommt, die hat in Hessen auf diese Weise in einem Hotel 800 Kinder in zwei Tagen aufgenommen und fast 40.000 Euro verdient.

Wieso läuft das so gut?

Das Thema Casting ist schwer in Mode. Und viele Eltern sind einfach stolz auf ihre Kinder. Aber bei so einer großen Zahl ist es unrealistisch, dass die vermittelt werden, die werden als Karteileichen archiviert – oder gelöscht.

Wie viele Kinder pro Agentur wären denn normal?

Das variiert. Eine Agentur, die schon 20 Jahre dabei ist, hat vielleicht bis zu 400 Kinder. Es ist auch nicht seriös, von Eltern Gebühren dafür zu nehmen, dass ihr Kind in der Agentur ist, oder Geld für einen verpassten Casting-Termin zu berechnen. All dies wird mir von Eltern berichtet. Und eine seriöse Agentur nimmt auch kein Geld für die Erstellung von so genannten Setkarten von Kindern, schon gar nicht von Babies.

Was zeichnet seriöse Agenturen Ihres Erachtens aus?

Man sollte den Eltern freistellen, eigene Fotos zu liefern und allenfalls ohne Druck anbieten, dass ein Fotograf in den Räumlichkeiten der Agentur Fotos macht. Es sollte ein sehr ruhiges und langes Agenturgespräch geführt werden und nicht ein Fünf-Minuten-Gespräch im Hotel. Man muss dabei erkennen, ob Eltern und Kinder dem Drehstress gewachsen sind. Eltern sollten Einsicht in Verträge haben und ganz genau erklärt bekommen, wie viel Provision eine Agentur nimmt. Üblich sind zehn bis 20 Prozent. Und Eltern sollten auch immer eine Kopie des Antrags beim Amt für Arbeitsschutz erhalten, wo drin steht, wie lang ein Kind am Set sein darf. Das ist je nach Alter des Kindes sehr streng geregelt. Man sollte auch nie ein Kind unter Exklusivvertrag nehmen. Das macht man einfach nicht. Und es sollten keine Fotos von Kindern auf einer Homepage im Internet veröffentlicht werden. Da besteht leider die Gefahr, dass damit Missbrauch getrieben wird.

Warum legt solchen Agenturen niemand das Handwerk?

Die staatliche Aufsicht hat leider nachgelassen. Als wir 2001 unsere Agentur eröffneten, wurden wir von der Bundesanstalt für Arbeit überprüft. Leider wurde diese Prüfkommission 2003 abgeschafft.

Was ist mit pädagogischen Kriterien? Sollten Eltern ihren Kindern so einen Casting- und Drehstress nicht lieber ersparen?

Wenn Kinder gar nicht wissen, was das alles bedeutet und was mit ihnen geschieht, ist es schlecht. Wir achten schon darauf, dass die Eltern bodenständig sind und nicht wie die so genannten Schlittschuhmütter Druck auf die eigenen Kinder ausüben, weil sie etwas hineinprojizieren nach dem Motto: Was ich nicht erreicht habe, soll mein Kind erreichen. In dem Wort Dreharbeiten steckt auch das Wort arbeiten. Das muss den Familien bewusst sein. Es ist wichtig, dass die Kinder nach einem längeren Dreh möglichst zwölf Monate Pause haben. Deshalb kann man, wenn man verantwortungsvoll arbeitet, mit einer Nachwuchsagentur kaum Geld verdienen.

Wie sieht es denn im Bereich der Schauspielschulen aus? Kennen Sie da auch schwarze Schafe?

Eltern sollten sich bei einer Theaterschule die Räumlichkeiten angucken und einen Ausbildungsnachweis der Schauspiellehrer zeigen lassen. Es sollten nicht mehr als zehn bis zwölf Kinder in einer Gruppe sein und es sollte nicht mit unrealistischen Hoffnungen geworben werden. Es ist auch Blödsinn, mit Kindern psychologisch zu arbeiten. Es geht um die Vermittlung des reinen Handwerks. Die Kinder sollten ihre Natürlichkeit behalten dürfen.

Wo sind für Ihre eigene Agentur die Grenzen des Zumutbaren?

Zum Beispiel bei Eltern, die drängeln, wann der nächste Dreh ist. Ich hatte mal eine Mutter hier, die fragte drei Monate nach Drehende, wann denn der nächste Film komme. Sie bräuchte das Geld für die Miete. Ich habe mich von der Familie getrennt, denn das geht nicht. In so einer Konstellation, wo die Miete davon abhängt, ist der Druck auf das Kind zu groß. Die Branche ist mitunter sehr hart. Es gibt auch Filmproduktionen, die sich nicht an die vorgeschriebenen Arbeitszeiten für Kinder halten. Das ist eine Erfahrung, die leider alle Agenturen in Deutschland machen und wo wir als Verein Handlungsbedarf sehen.