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Archiv-Artikel

FDP fehlt beim Anti-Nazi-Bündnis

Das Bündnis gegen den Neonazi-Aufmarsch in Lübeck steht wieder. Sogar die CDU macht diesmal mit. Nur die FDP will sich von „linksextremistischen Kräften“ distanzieren und bleibt lieber zuhause

VON DANIEL WIESE

Für Neonazis ist heute in Lübeck ein großer Tag. „Kameraden, auf nach Lübeck“, verkündet eine rote Schrift auf schwarzem Grund, zu finden auf einer Neonazi-Seite im Internet. „Der feige Bombenangriff auf unsere schöne Hansestadt muss in den Herzen eines jeden Deutschen auf ewig unvergessen bleiben.“ Gemeint ist der alliierte Bombenangriff auf Lübeck vom 28. März 1942, dem der Angriff der deutschen Luftwaffe auf die englische Stadt Coventry im November 1941 vorausging .

Seit Jahren ruft ein Bündnis aus NPD und Freien Kameradschaften um den 28. März herum zum „Trauermarsch“ durch Lübeck auf. Seit Jahren überlegt die Stadt, wie sie den Marsch verbieten könnte, bisher ohne Erfolg. Seit Jahren mobilisiert ein breites Bündnis aus Kirchen, Gewerkschaften und linken Kräften gegen den Aufmarsch. Im vergangenen April trafen 200 Neonazis auf eine Übermacht von 2.000 bis 3.000 Gegendemonstranten, die Neonazis mussten ihre Route ändern.

Sogar die CDU ist dieses Jahr beim Lübecker Anti-Nazi-Bündnis dabei, zusammen mit SPD und Grünen hat sie in der Bürgerschaft eine Resolution verabschiedet: „Die Lübecker Bürgerschaft verurteilt die geplante Nazidemonstration“, heißt es da. Den rechten Demonstranten gehe es nicht um das Gedenken der Opfer, sie würden diese nur instrumentalisieren.

Möglich wurde das Bündnis durch geschicktes Verhandeln der SPD. In der Resolution werde absichtlich nicht zur Gegendemonstration, sondern nur zu deren „Auftaktveranstaltung“ auf dem Marktplatz aufgerufen, sagt SPD-Stadtrat Reinhold Hiller, der die Resolution eingefädelt hat. Das Bündnis gegen den Neonazi-Aufmarsch habe „so breit wie möglich“ sein sollen.

Gescheitert ist Hiller mit diesem Ansinnen allerdings bei der Ratsfraktion der Lübecker FDP. In einer turbulenten Bürgerschaftssitzung am Donnerstag bemängelte der stellvertretende FDP-Fraktionschef Thomas Schalies, dass unter den Gegendemonstranten „linksextremistische Kräfte“ seien. Schalies verwies auf Gruppierungen wie „Avanti – undogmatische Linke“, die derzeit am Widerstand gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm beteiligt ist. Und er nannte die VVN – Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes.

Mitnichten säßen beim VVN nur alte Widerstandskämpfer, sagt Schalies zur taz. „So viele gibt es gar nicht mehr.“ In der Ratssitzung verwies er auf Erkenntnisse des schleswig-holsteinischen Verfassungsschutzes. In dessen letztem veröffentlichten Bericht von 2005 steht, dass „Avanti“ „den Einsatz revolutionärer Gewalt“ grundsätzlich bejahe, derzeit allerdings „aus „taktischen Erwägungen“ zurückstelle. Zur „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes“ heißt es, dass sie „linksextremistisch beeinflusst“ sei – in den Führungsgremien säßen DKP-Mitglieder.

Die Fraktionsvorsitzende der FDP im Lübecker Rat, Michaela Blunk, bekundete gegenüber der taz Zustimmung zur Position ihres Stellvertreters. „Wir wollen uns nicht neben Menschengruppen stellen, die Demokratieverteidigungsmaßnahmen für ihre Zwecke missbrauchen“, sagt sie. Die FDP hätte eine Gegenveranstaltung an einem anderen Ort zu einer anderen Uhrzeit vorgeschlagen, sei damit aber nicht durchgedrungen.

Und so muss die Kundgebung auf dem Marktplatz heute ohne die Liberalen auskommen.