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Archiv-Artikel

Wenn auf Kuba die Mangobäume blühen

Sie sprechen lieber über Pflanzen und Tiere als über Politik. Begegnungen auf Kuba mit Menschen, die es satt haben, nicht denken, sagen und tun zu können, was sie wollen. Auch die Anbieter von Privatzimmern, den Casas Particulares, werden regelmäßig auf ihre Systemtreue kontrolliert

KUBA-REISETIPPS

Für die Einreise benötigt man zusätzlich zum gültigen Reisepass eine Touristenkarte, die für 22 Euro bei der kubanischen Botschaft (www.botschaft-kuba.de) erhältlich ist. Die kubanischen Reiseagenturen Cubanacán (www.cubanacan.cu) oder Havanatur (www.havanatur.cu) organisieren Tagesausflüge und mehrtägige Rundreisen. Seit einigen Jahren lässt sich Kuba gut auf eigene Faust entdecken. Die Insel kann entweder mit dem nicht ganz preiswerten Mietwagen erkundet werden (www.cubacar.info u. a.) oder auch mit den bequemen Überlandbussen von Viazul (www.viazul.cu). Schneller und unkompliziert ist auch die Reise mit dem von den Reiseagenturen angebotenen (Sammel-)Taxis. Preisgünstige Übernachtungsmöglichkeit bieten die Casas Particulares, die nahezu über die ganze Insel verteilt sind (www. cuba-casas-particulares.com). Da die bekannten Strände von Varadero und Los Pinos oder auch das Taucherparadies Maria la Gorda ausschließlich von Touristen besucht werden können, empfiehlt es sich, von Trinidad oder Vinales aus Tagesausflüge zu machen. Angeboten werden auch Tanz- und Trommelkurse oder Kletter- und Wandertouren (www.cubaclimbing.com).

VON BETTINA HAASEN UND ALEXANDRA SCHEELE

Viñales ist ein verschlafenes Nest aus einer anderen Zeit. Auf einer einzigen nadelbaumgesäumten Hauptstraße spielt sich das Leben ab. Langsam, ruhig. Eine kuriose Mischung aus Ost-Hochhaus-Architektur und kleinen, in unterschiedlichen Farben gestrichenen 3-Zimmer-Häuschen, auf deren Veranden Schaukelstühle. Auf den Straßen fahren neben den Chevrolets aus den 1950er-Jahren auch Ochsen- und Pferdekarren, auf denen Tabak, häufig aber auch Menschen durch die links und rechts abgehenden Sackgassen transportiert werden. Knapp 200 Kilometer südwestlich von Havanna, in der Provinz Pinar del Rio, liegt das Valle de Viñales. Für viele die schönste Landschaft Kubas, auf jeden Fall die eigentümlichste. Bizarre Kalksteinkegel ragen aus der Ebene.

Auch in Viñales ist der „Comandante“ allgegenwärtig. Auf Dachziegeln, in Steinmauern eingemeißelt, an überdimensional großen Plakatwänden, auf Autobahnbrücken. Natascha, der wir im Café begegnen, will uns davon überzeugen, dass diese bildliche Omnipräsenz von Fidel Castro nur noch wegen seines Geburtstages, der im August war, vorzufinden sei und keinesfalls mit der zum Staatsgeheimnis erklärten Krankheit zu tun habe. Nataschas Bruder lebt in Miami. Angeblich will er (noch) nicht nach Kuba zurück. Sie hat ihn vierzig Jahre nicht gesehen. Dieses Jahr wird für sie persönlich sehr wichtig werden, sagt sie. Beim Abschied zwinkert sie uns zuversichtlich zu und sagt: „Wenn ihr das nächste Mal wiederkommt, spreche ich mit euch Englisch – ihr werdet staunen!“ Vielleicht beinhaltet dieser vorsichtig formulierte Satz am ehesten, wie sehr sich die Menschen Kubas auf ihre Weise eine Veränderung wünschen.

Auf Kuba gibt es zwei Möglichkeiten, als Tourist unterwegs zu sein. Entweder man entscheidet sich für die Kubaner-freien Strände mit ihren All-inclusive-Hotelanlagen im Nordosten der Insel oder aber man wohnt in den auf der ganzen Insel verteilten Privatzimmern, den Casas Particulares und nutzt die Gelegenheit, einen Einblick in das kubanische Alltagsleben zu bekommen. Denn einer kleinen Revolution gleich ist es seit 1997 den KubanerInnen möglich, ein bis zwei ihrer Zimmer an TouristInnen zu vermieten. Für die AnbieterInnen von Privatzimmern ist dieses Geschäft mit einigen Auflagen verbunden: Sie müssen monatlich eine Summe von 100 bis 200 CUC ( etwa 85–180 Euro) an den Staat abführen – unabhängig davon, ob sie ihr(e) Zimmer vermieten können oder nicht. Und sie werden regelmäßig auf ihre Systemtreue hin kontrolliert.

Sie könne nicht über Politik sprechen, aber über die Plantagen, Pflanzen und Tiere erzähle sie uns gerne, antwortet Dolores (Name wurde – wie alle Namen der hier zitierten Gesprächspartner – von den Autorinnen geändert) auf die Frage, wie sie über die Zukunft Kubas denkt. Ganz anders reagiert Antonio. Er verdeutlicht mit einer einfachen Geste, was US-Amerikaner und Exilkubaner zu erwarten hätten, falls sie es wagen, nach Castros Tod nach Kuba zu kommen: Die Kehle werde man ihnen durchschneiden, schließlich wisse man, was in Vietnam und im Irak geschehen sei.

Dolores spricht fließend Englisch. Seit sie sich als Reiseleiterin selbständig gemacht hat, denkt und lebt sie für die Zukunft. Begeistert erzählt sie von der Berglandschaft um Viñales und den Tabakfeldern, die wir auf keinen Fall verpassen sollen. Da sie im achten Monat schwanger ist, kann sie uns allerdings nicht auf eine Wanderung begleiten, empfiehlt aber einen Cousin, der „Spanglish“ sprechen könnte. Stolz führt sie uns in ihr noch im Rohbau stehendes Haus, das etwas höher als die anderen Holzhütten liegt. Seit fünf Jahren arbeiten sie und ihr Mann an diesem Haus, das ihr ganzes Leben bestimmt. Sie hofft, dass es Ende 2007 zum Einzug bereit ist. Die bevorstehenden Veränderungen machen ihr Angst. Was passiert dann mit ihrem Haus? Anders als im Kapitalismus werde sich im Sozialismus um die Menschen gekümmert. Nun fragt sie sich, wird das Land, in das sie gerade investiert, dann noch das ihre sein?

Alejandro, ein begnadeter Salsatänzer, glaubt, dass sich „nach ihm“ – er spricht den Namen Fidel nicht aus, sondern kennzeichnet ihn durch eine zackige Handbewegung, die auf Fidels Bart anspielt – nichts ändern wird: Sein Bruder Raúl und die Partei seien zu mächtig. Er selbst will nicht fort aus Viñales, schließlich ist gerade Touristensaison und er gibt hier Tanzunterricht. Trotzdem lernt er vorausschauend Französisch, für den Tag der erhofften Öffnung des Landes.

Vor der „Number one“ müsse man sich in Acht nehmen. Das ist zumindest Ricardos Meinung, der uns beim Abendessen Gesellschaft leistet. Als Rezeptionist in einem der angesehenen Hotels verdient er monatlich umgerechnet 10 CUC (ca. 8 Euro) – „zum Leben zu wenig und zum Sterben zu viel“, sagt er und lacht. Obwohl Ricardo „ihn“ hasst, solle er ruhig eines friedlichen Todes sterben. Er rechnet allerdings damit, dass Fidel Castro noch mindestens drei Jahre leben wird und dass sein Tod mit Sicherheit länger verschwiegen wird, um einen stillen Führungswechsel vorzubereiten.

Mit seinem Wunsch nach Veränderung steht Ricardo stellvertretend für viele junge Leute im Land, die es satt haben, nicht denken, sagen und tun zu können, was sie wollen. Die staatliche Kontrolle wurde in den letzten Monaten verschärft. Ricardo glaubt, dass das Land eine lange Übergangsphase benötige um in einem anderen System anzukommen. Kubaner seien es nicht gewohnt, kritisch oder demokratisch zu denken. Er wünscht sich, dass dieser Umbruch „von innen heraus“ kommen wird.

Die Autopista nach Havanna ist eine durch eine schmale Grünfläche getrennte Spur. Hier kommt ganz Kuba zusammen: trampende Kubaner, Spaziergänger, Pferdekutschen, Lkws, Radfahrer, streunende Hunde, angefahrene Hunde, die „belles americaines“, Taxis, Traktoren, Kühe, Knoblauch- und Bananenverkäufer. Man rast entlang an Tabakfeldern, blühenden Mangobäumen, staatlichen Farmergebieten und Wellblechhütten. Und immer wieder die Straßenschilder, die an die Helden und die Verdienste der Revolution erinnern – so als hätte sie gestern stattgefunden: „Estamos unidos, venceremos“ (Vereinigt werden wir siegen), „patrio o muerte“(Vaterland oder Tod), „Vamos bien“ (Uns geht es gut).

In der Nähe der berühmten Eisdiele „Coppelia“ in Havanna treffen wir ein homosexuelles Paar, das sein einjähriges Zusammensein mit Pizza und einer Limonade feiert. Hier fallen Worte, die in dieser Deutlichkeit noch nicht zu hören waren: „Du kannst jemanden auch mit Ideen töten, nicht nur mit Waffen!“ – das ist ihre bittere Erfahrung. „Wenn den Menschen hier immer wieder eingetrichtert wird, was sie denken sollen, wenn du überall beschattet wirst und bei der geringsten Denunziation durch Nachbarn oder Bekannte verraten wirst, stehst du auf der schwarzen Liste. Da kommst du nie wieder raus. In Kuba sollen wir den Preis unserer Freiheit mit einem schlechten, propagandaverseuchten Schulsystem und einem vermeintlich freien Zugang zu Medizin bezahlen. Und niemand darf wissen, dass wir schwul sind – sonst verlieren wir unseren Job!“