LESERINNENBRIEFE :
Viel Platz
■ betr.: „Verboten“, taz vom 9. 9. 14
Gratulation, taz, du hast verboten Seite 1 überlassen. Gratulation, verboten, ihr habt nicht die ganze Seite genommen, sondern der taz den unteren Rand gelassen. Sehr weise, denn ehe der Kaputtalismus (28. 8. 14) sein Endstadium (Wolfgang Streeck) erreicht, braucht ihr noch viel Platz, um zur Wahrheit vorzudringen.
KLAUS WARZECHA, Wiesbaden
Gibt’s bei uns Krieg?
■ betr.: „Wo leben wir eigentlich?“, taz vom 8. 9. 14
Rudolf Walther muss da etwas missverstanden haben: Die Maut wird, wie Dosenpfand, „grüner Punkt“ und Umweltplakette, zum Frieden in Deutschland beitragen. Gibt’s bei uns Krieg? Nein. Gibt’s in der Ukraine Dosenpfand, grünen Punkt oder Umweltplakette … na also. Wenn jetzt zum Beispiel der Dobrindt in der Ukraine die Maut einführte, dann wär doch da sofort Ruhe – und hier auch …
KLAUS TEICHERT, Berlin
Anstrengung statt Sontagsreden
■ betr.: „Sieg des Chauvinismus“, taz vom 6. 9. 14
An Zynismus nicht zu überbieten ist ja der Ausspruch von Volker Kauder, der sich zwar für weitere Aufnahme von Flüchtlingen aus dem Irak ausspricht, aber mit dem Zusatz „wenn sie es bis zu uns schaffen“. Dabei hilft Deutschland im Verein mit der EU kräftig mit, dass Flüchtlinge die Außengrenzen von Europa erst gar nicht erreichen. Viele SyrerInnen, die über die Türkei versuchen, in die EU zu kommen, werden durch das neue Grenzüberwachungssystem Eurosur bereits daran gehindert, überhaupt die bulgarische Grenze zu erreichen. Besonders rigoros geht die griechische Küstenwache mit lebensgefährlichen „Push Back“-Operationen gegen Bootsflüchtlinge vor, bei denen die Boote gewaltsam zurückgeführt werden.
Die illegale Zurückweisung der Flüchtlinge stellt klare Verstöße gegen das völkerrechtliche Verbot kollektiver Ausweisung dar. Es werden Milliarden Euro in die weitere Abschottung der Außengrenzen investiert, anstatt zuerst Menschen vor Gewalt und Verfolgung internationalen Schutz zu gewähren. Und für die vorbildliche Operation „Mare Nostrum“ der italienischen Marine, die mit hohen Kosten bereits mehr als 74.000 Menschen retten konnte, will die EU keine finanzielle oder andere nachhaltige Unterstützung zusagen …
Das nun vorbereitete neue Asylrecht richtet sich dagegen vorwiegend gegen Sinti und Roma, die ihre Heimatländer meist aufgrund von rassistischer Verfolgung beziehungsweise Ausgrenzung verlassen. Leider werden von den Politikern die Vorurteile und offene Ablehnung gegen Sinti und Roma in der Bevölkerung noch weiter verstärkt, wenn sie von „Sozialschmarotzern“ sprechen, die angeblich Deutschland überfluten, was wiederum rechte Bestrebungen und Parteien stärkt.
Den Sonntagsreden zur Einweihung des Denkmals für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma sollten endlich Anstrengungen folgen, die heutigen Sinti und Roma in ihren Heimatländern zu unterstützen beziehungsweise ihnen bei uns Schutz zu gewähren. HELGA SCHNEIDER-LUDORFF, Oberursel
Wie stellt man Fragen?
■ betr.: „Die alltägliche Anfeindung“, taz vom 5. 9. 14
Na ja, wenn man liest und sieht, dass der Islamische Staat (aha, also ein Gebilde, das sich explizit auf den Islam bezieht) Journalisten köpft, Frauen versklavt und von anderen sich „islamisch“ nennenden Staaten finanziert wird, dann ist der Fehlschluss auf „den Islam“ beziehungsweise „die Muslime“ in toto zwar nicht gerechtfertigt, aber erklärlich. Und andererseits liegt es nahe, dem Islam als religiös-kulturelles Phänomen selbst ein Problem mit der Positionierung zu Gewalt und Toleranz zu konstatieren, wenn solche Vereinnahmungen heute möglich sind. Wie stellt man da von außen Fragen, ohne zu pauschalisieren? Kann ein geäußertes Vor-Urteil nicht auch in ein fundierteres Nach-Urteil umgewandelt werden?
MAIK HARMS, Hamburg
Gebacken für den Frieden
■ betr.: „Regierung rüstet Kurden auf“, taz vom 1. 9. 14
Als alle Welt gedacht hat, dass Thema Waffeln sei hierzulande kein Thema mehr, jedenfalls soweit es deren Lieferung in Kriegsgebiete betrifft, geschah Schreckliches. Schweren Herzens hat daher unsere verehrte Kriegsministerin beschlossen, heute, am 1. 9. 14, genau 75 Jahre nach Beginn des Zweiten Weltkriegs, deutsche Waffeln in ein Kriegsbeginn zu liefern. Zwar muss man davon ausgehen, dass viele von denen, in deren Hände sie gelangen, auch zu den Bösen gehören, wenngleich mehr zu den guten Bösen, aber sie sollen ja auch an den Waffeln geschult werden, damit sie wissen, wie sie damit die bösen Bösen totmachen. Um das zu lernen, müssen sie sich natürlich ausweisen, damit unter ihnen kein böser Böser ist und man später immer weiß, wem man welche Waffeln in die Hand gedrückt hat.
Und es sollen auch nicht die ganz, ganz schlimmen Waffeln geliefert werden. Die meisten dieser Waffeln sind ohnehin ziemlich alt, und man hatte schon überlegt, wohin damit. Nun hat sich eine gute Gelegenheit ergeben, und es ist ja auch deutsche Wertarbeit, gebacken für den Frieden. Und es sichert hierzulande ja auch Arbeitsplätzchen, wenn wir die exportieren. Da kann man als Deutscher schon stolz sein auf unser Land. CLAUS GÜNTHER, Hamburg