: Die Frau an Polens Spitze
Ewa Kopacz wird die neue Premierministerin Polens. Die 57-jährige Kinderärztin gilt seit Jahren als Frau für schwierige Fälle. Den Ruf einer resoluten Managerin mit Charme und Charakter erwarb sie sich als Gesundheitsministerin in den Jahren 2007 bis 2011. Respekt brachte ihr insbesondere die Entscheidung ein, keinen Impfstoff gegen Schweinegrippe zu ordern. Während später die Nachbarländer tonnenweise unnütz gewordenen Impfstoff vernichten mussten, konnte Ewa Kopacz auf eingesparte Haushaltsmittel in Millionenhöhe verweisen.
Im Gedächtnis ist vielen Polen auch, dass Kopacz als eine der ersten MinisterInnen nach Smolensk flog, nachdem dort 2010 das Präsidentenflugzeug mit fast 100 Menschen an Bord abgestürzt war. Sie half bei der Identifizierung der Toten, tröstete Familienangehörige und stellte eine polnische Ärztegruppe zusammen, die mit der russischen vor Ort zusammenarbeitete.
Zudem gilt Ewa Kopacz als enge Vertraute von Nochregierungschef Donald Tusk, 57, der als EU-Ratspräsident nach Brüssel geht.
Kopacz, die seit 2011 das Amt der Sejmmarschallin (Parlamentspräsidentin) bekleidet, würde in den wichtigsten politischen Fragen für Kontinuität sorgen. Sie muss die Regierung gegen Angriffe der rechtsnationalen Oppositionspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) unter Jaroslaw Kaczynski verteidigen, die die Koalition unter Beschuss nehmen will.
Ewa Kopacz weiß ganz genau, dass diese Attacken auf sie und die Regierung zukommen werden. Auf eine Art „Frauenbonus“ braucht sie nicht zu hoffen. Im Gegenteil: Die politischen Gegner werden sie mit Häme überschütten, wie sie zuvor schon Tusk als „unfähig, entscheidungsarm, faul, hochnäsig und verlogen“ bezeichnen – und vielleicht auch noch als „hässlich, zu dick und schlecht geschminkt“. Sie braucht also eine sehr dicke Haut und viele gute Parteifreunde.
Diese stärken ihr jedoch den Rücken und sprechen sich mit großer Mehrheit für sie als neue Premierministerin aus. Das letzte Wort hat jedoch Polens Präsident Bronislaw Komorowski. Er machte zwar deutlich, dass das Recht, einen Nachfolger des Premiers mit der Regierungsbildung zu beauftragen, allein bei ihm liegt. Dennoch traf er sich aber schon mit Ewa Kopacz und verkündete am Dienstag, dass er keine Einwände gegen ihre Nominierung erhebe. GABRIELE LESSER