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Archiv-Artikel

Der Festivalmacher

HIPPEN EMPFIEHLT In „Smoke on the Water“ erzählen Ekkehard Wetzel und Frank Zervos die Geschichte des legendären Montreux Jazz Festivals und seines Gründers Claude Nobs

Da Nobs das Festival 1967 gründete, ist sein Porträt zugleich das von Montreux und ein faszinierendes Stück Kulturgeschichte

VON WILFRIED HIPPEN

Es ist einer der Mythen der Popgeschichte. 1971 brannte bei einem Auftritt von Frank Zappa das Casino von Montreux ab und die Gruppe Deep Purple, die gerade in der Stadt ihr nächstes Album aufnahm, machte darüber einen Song, der ihr größter Hit wurde. Doch „Smoke on the Water“ ist ganz gewiss nicht „der berühmteste Rocksong aller Zeiten“, wie die Erzählstimme dieser Fernsehdokumentation weihevoll kundtut, und in den ersten Minuten ihr Manko offenbart.

Wenn man doch nur den banal lobhudelnden Kommentar ausblenden könnte, der so wirkt, als hätten die Filmemacher sich die Aufgabe gestellt, so viele Superlative wie nur möglich in ihrem Film unterzubringen. Dabei sprechen doch die Bilder, vor allem aber die Musik in „Smoke on the Water“ für sich. Im Jahr 2008 begleitete das Kamerateam des ZDF während des Jazz Festivals von Montreux den Festivalleiter Claude Nobs. Da dieser das Festival 1967 gründete und es seitdem nach seinen Vorstellungen und Vorlieben formte, ist sein Porträt zugleich das des Festivals und ein faszinierendes Stück Kulturgeschichte. Das Team machte Interviews mit vielen der auftretenden Musikern, und so erzählen Stars wie Quincy Jones, Carlos Santana, Joe Sample, Eddy Grant, Mick Hucknall und Nils Landgren in die Kamera, wie außergewöhnlich es für sie ist, in Montreux (dem „Rolls Royce unter den Festivals“) aufzutreten.

Spätestens bei den Aufnahmen in Nobs Chalet über dem Genfer See, das er als offenes Haus für die Künstler führt und mit einem Studio sowie einem riesigen Archiv mit Konzertaufnahmen ausgebaut hat, wird deutlich, warum die Stars so gerne und oft zu ihm wiederkommen. Hier können sie sich wie im Olymp der Popmusik fühlen, und diesen Eindruck verstärkt der Film noch, indem er Ort und Hausherren so zelebriert.

Nobs erzählt selber, wie er als kleiner Buchhalter für sein erstes Festival nach New York reiste und dort den Chef von Atlantic Records Nesuhi Ertegun traf, der ihn auf Schwyzerdütsch begrüßte und so eine lange Partnerschaft begründete. Er schickte die Stars seines Labels wie Aretha Franklin, Ella Fitzgerald und Ray Charles in die Schweiz und ermöglichte so den schnellen und immensen Erfolg des Festivals. Schon von den Anfängen an war Montreux kein reines Jazzfestival. Darüber mögen die Puristen die Nase gerümpft haben, aber die Reihe der Musiker, die hier legendäre Konzerte gegeben haben ist beeindruckend und Montreux ist für die Branche schon lange das, was Cannes für das Kino ist. So erzählt der so sanft und zurückhaltend wirkende Nobs ganz selbstverständlich, auf seine Anregung hin hätten David Bowie und Freddy Mercury einst nächtens in seinem Studio eine Jam-Session veranstaltet, deren Ergebnis dann der Welthit „Under Pressure“ wurde.

Wenn die Dokumentation nur aus dem Ekkehard Wetzel und Frank Zervos selber gedrehten Material bestehen würde, wäre sie als solide, aber sehr konventionelle Arbeit kaum weiter erwähnenswert. Aber etwa die Hälfte des Films sind Konzertausschnitte aus Nobs riesigem Archiv, und durch diese wird der Film erst sehenswert. Ella Fitzgerald bei ihrem ersten Auftritt 1969 noch in schwarzweiß, der notorisch kamerascheue Ray Charles, Miles Davis bei der Anprobe eines Jacketts aus dem Schrank des Gastgebers, eine der neueren Reinkarnationen von Deep Purple (natürlich mit ihrer Hymne auf „funky Claude“), Simply Red, die Black Eyed Peas und sogar ganz kurz Herbert Grönemeyer. Durch diese von Nobs selber produzierten Bilder wird das Festival tatsächlich lebendig und weil man weiß, was da noch alles hätte gezeigt werden können, ist der Film mit seinen 60 Minuten viel zu kurz.