: Flatrate-Saufen verbieten?
Einmal zahlen, die ganze Nacht saufen – so geht das Prinzip von so genannten Flatrate-Partys. In Berlin starb jetzt ein 16-Jähriger an den Folgen eines Alkoholexzesses. Mehr als 50 Tequila soll er an einem Abend getrunken haben. Gehören Saufgelage zum Pauschalpreis verboten?
BARBARA STEFFENS, 45, ist Sprecherin der Grünen-Fraktion im NRW-Landtag für Arbeits-, Gesundheits-, Sozial- und Frauenpolitik. Alkohol trinkt sie selbst sehr selten. Von den Flatrate-Parties hat sie aus den Medien erfahren: „Solche Angebote gab es zu meiner Zeit nicht.“ Und bei ihren Kindern, zwei Jungs im Alter von 4 und 12 Jahren, sind Partys noch kein Thema.
JA
Die Zahl der Jugendlichen, die Alkohol konsumieren, hat in den letzten Jahren erfreulicherweise kontinuierlich abgenommen und scheint derzeit zu stagnieren. Die Zahl derjenigen aber, deren Alkoholkonsum zu Alkoholvergiftungen führt, hat nach Einschätzung von Ärzten und Krankenkassen massiv zugenommen.
Ein wesentlicher Grund für sinkende Hemmschwellen sind niedrigste Preise. Untermauert wird dies von der Tatsache, dass die so genannten Alkopops längst nicht mehr so viel getrunken werden, seitdem sie teurer geworden sind. Ein neues Angebot, die so genannte „Flatrate-Party“, führt häufig zu exzessivem Trinken, dem „Koma-Saufen“. Hier wird für einen Pauschalpreis „Trinken bis der Arzt kommt“ angeboten. Manchmal beschränkt sich dies auf Bier, häufig ist aber auch eine Auswahl an Hochprozentigem im Angebot.
Im Internet findet man mit Hilfe gängiger Suchmaschinen zahlreiche Angebote zu solchen Partys. Auch detaillierte Diskussionen darüber, wie viel man trinken muss, damit ein Angebot sich richtig lohnt, sind dort zu finden. Außerdem erfährt man schnell, wie viel Alkohol man in welcher Zeit trinken muss um umzufallen, ohne dass der Körper vorher genug Zeit hat, den Alkohol zu erbrechen.
Solche Angebote müssen – egal, wie viele es davon gibt – verboten werden. Denn diese Form des Trinkens entwickelt sich nach Auskunft von Suchtexperten zu einer regelrechten Jugendkultur mit Gruppenzwang. Wirte, die solche Angebote als Werbeinstrument einsetzen, handeln nicht nur verantwortungslos, sondern sie verstoßen auch gegen das Gaststättengesetz, das den Ausschank von Alkohol an alkoholisierte Personen verbietet.
Deshalb fordern wir ein grundsätzliches Verbot solcher Angebote. Ein generelles Alkoholverbot für alle unter 18 Jahren wäre jedoch der falsche Weg. Die meisten Probleme ließen sich verhindern, wenn man schlicht die bestehenden Gesetze konsequent anwenden würde. Wir fordern deshalb eine zuverlässige Kontrolle über die konsequente Anwendung der entsprechenden Gesetze.
Diejenigen, die dagegen verstoßen, müssen drastische Sanktionen zu spüren bekommen. Denn solange es Kindern und Jugendlichen entgegen bestehender Rechtslage möglich ist, in Supermärkten alkoholische Getränke zu kaufen, solange sie in Kneipen und Diskotheken problemlos alles eingeschenkt bekommen, werden wir das Problem nicht in den Griff bekommen.
Sanktionen allein reichen aber nicht aus. Wir brauchen selbstverständlich ebenfalls eine verstärkte Prävention. Dazu sollte auch ein grundsätzliches Werbeverbot für Alkohol gehören.
BARBARA STEFFENS
NEIN
„Der Fall hätte bei Einhaltung der bestehenden Gesetze vermieden werden können“ hat Horst Seehofer der Sächsischen Zeitung gesagt. Damit ist dann auch schon alles über die Forderung nach einem Verbot von Flatrate-Partys gesagt, was jetzt anlässlich des tragischen Todes eines Jugendlichen aufkam, der womöglich auf einer solchen Party gewesen ist. Bestehende Gesetze sind klasse und Alkohol ist auch klasse!
Kommen wir zum letzteren zuerst: Flatrate-Partys machen doch gerade erst das Auskommen mit dem für jugendliche und junge Erwachsene meist nur knapp verfügbare (Taschen-) Geld möglich und sicherlich werden diese Veranstaltungen getreu dem Motto „Geh‘ zur Flatrate-Party und kauf dir vom eingesparten Geld ein gutes Buch“, sicherlich zur Bildung beitragen. Auch kann ein mit Flatrate-Partys einhergehender Kontrollverlust dem Geburtenrückgang etwas entgegensetzen.
WOLFGANG WENDLAND, 44, ist Kanzlerkandidat der Pogo-Partei und Sänger der Band „Die Kassierer“. 2005 weigerte sich der WDR, den Wahlwerbespot seiner damaligen Partei, der Anarchistischen Pogo Partei Deutschland, zur Bundestagswahl zu zeigen. Die Begründung: „Der exzessive Konsum von Alkohol durch Jugendliche wird verherrlichend dargestellt.“
Aber mal im Ernst: ich war noch auf keiner Flatrate-Party und habe auch noch nie eine Ankündigung davon gesehen. Ich vermute mal, dass so etwas in irgendwelchen Dumm-Discos stattfindet für Leute mit dem eingeschränkten Geisteszustand eines Tokio-Hotel-Fans. Da ich dann doch in den letzten 25 Jahren eher mit der Punk-Bewegung zu tun habe treffe ich zumeist auf schlauere Leute, die die Erfindung „Flatrate-Party“ nicht nötig haben, weil sie ihren Alk im Supermarkt, sagen wir mal, „besorgen“. Gemeinsam ist beiden Gruppen offensichtlich zumindest, dass sie Deutschland nur im Suff ertragen können.
Ob ein Verbot von Flatrate-Partys Gesetz wird, wird nicht zuletzt davon abhängen, ob – ähnlich wie im Fall Florida-Rolf – sich das bundesdeutsche Gesetzgebungs-Organ Bild-Zeitung des Falls annimmt oder nicht. Auf jeden Fall hätte das Gesetz nach heutigen Kriterien gute Chancen: Es wäre vollkommen unsinnig, es würde sich vorwiegend gegen Leute mit wenig Geld richten und – als wichtigster Aspekt – es würde etwas verbieten.
Und was das Einhalten bestehender Gesetze anbelangt, so könnte man zum Beispiel versuchen die Arbeitslosigkeit durch Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes beim Mittelstand zu vermindern. Natürlich könnten sich auch die Bundestagsabgeordneten für sinnvolle neue Gesetze einsetzten, zum Beispiel sich selbst verbieten, bei so grauenhaften Sendungen wie „Sabine Christiansen“ aufzutreten. Dann könnten sie sich sicher besser mit den Dingen jenseits des populistischen Unsinns beschäftigen.
Wolfgang Wendland