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Archiv-Artikel

„Es ist keiner durchgefallen“

Die Sprachtests sagen noch nicht aus, wie viele Kinder gefördert werden müssen, sagt Test-Entwicklerin Lilian Fried

LILIAN FRIED, 58, lehrt Pädagogik an der Uni Dortmund. Sie hat für die NRW-Landesregierung den Delfin4-Test erarbeitet.

Frau Fried, es deutet sich an, dass bei Ihrem Sprachtest ein Drittel bis die Hälfte der Vierjährigen durchgefallen sind. Haben Sie damit gerechnet?

Dass wir von durchfallen oder nicht bestehen reden, gefällt mir nicht. Der erste Test sagt nichts darüber aus, wie viele Kinder in die Sprachförderung kommen und wie viele nicht. Die Stufe Eins war dazu da, um zwei Gruppen grob zu trennen: Kinder, bei denen man ganz sicher sein kann, dass sich ihre Sprache gut entwickelt und Kinder, bei denen man bei Stufe Zwei des Tests im Mai noch einmal genauer hinschauen muss.

Der Zoo-Test diente also dazu, die Guten herauszufiltern?

Ganz genau. Und bei den anderen geht es darum, Informationen zu gewinnen, an welchen Stellen der Sprachentwicklung man mit gezielter Förderung ansetzen kann. Darauf wollen wir in den kommenden Einzelgesprächen näher eingehen.

Es gab viel Kritik an Ihrem Test: Kinder könnten nicht so lange stillsitzen, viele seien noch nicht im Zoo gewesen...

Ich bin erschrocken, dass sich das Verfahren mancherorts auf eine Stunde hingezogen hat. Wir haben das ja mehrmals selbst getestet. Wenn man sich an die Regeln des Tests hält und sich vorher schon damit vertraut gemacht hat, dürfte das nicht passieren. Wenn sich das so lange hinzieht, ist das sicherlich für die Ergebnisse ungünstig. Was die Zoo-Situation betrifft: Wir haben anhand der Forschungslage geprüft, in welchen Bereichen Vierjährige ein differenziertes Wissen haben und das ist die Biologie. Kinder lieben Tiere und wissen viel über sie – auch wenn sie nicht so oft in den Zoo gehen.

Sie entwickeln auch Sprachförderungskonzepte für die Kitas. Reichen die 340 Euro pro Kind, die das Land dafür vorsieht?

Das kann ich nicht sagen. Aber die Erzieherinnen in den Kitas betreiben ja oft heute schon gute Sprachförderung. Wir wollen ihnen weitere Anregungen geben, die sie in den Kita-Alltag systematisch einbeziehen können und auf den Bedarf des einzelnen Kindes abstimmen können.

Für den Kölner Pädagogik-Professor Gerd Schäfer kommt es bei der Sprachförderung durchaus aufs Geld an: Es müsse genügend ErzieherInnen geben, die sich Zeit nehmen, den Kindern zuzuhören und mit ihnen zu sprechen.

Es ist immer gut, wenn sich Erzieherinnen Zeit nehmen und das erfordert mehr Personal. Das allein reicht aber nicht aus. Es gibt Bereiche in der Sprachentwicklung, die gezielt gefördert werden müssen. Zur Zeit analysieren wir, welche Übungen bei welchen Sprachdefiziten wirksam sind. Ein wichtiger Punkt ist auch die Elternarbeit: Wir wollen Ideen aufgreifen, die in anderen Ländern praktiziert werden.

Nennen Sie einmal ein Beispiel, wie Sprachförderung konkret aussehen kann.

Stellen wir uns vor, wir haben ein Kind vor uns, dass sich dem Alter entsprechend gut mit Nomen auskennt, aber lange nach dem treffenden Verb suchen muss. Da Verben mit Bewegung zu tun haben, bieten sich motorische Übungen an. Die können von der Erzieherin sprachlich kommentiert werden. Auch die anderen Kinder in der Gruppe können helfen, nach einem passenderen Verb zu suchen.

INTERVIEW: NATALIE WIESMANN