Schüler dürfen wieder pauken

An der Novalis-Schule in Köpenick darf trotz aller Turbulenzen weiterunterrichtet werden: Der Senat hat die Genehmigung dazu erteilt. Doch der Privatschule laufen inzwischen die Schüler davon

Von mehr als 200 Schülern zu Schuljahresbeginn sind lediglich noch 140 übrig geblieben

VON MARINA MAI

Der Schulbetrieb an der privaten Novalis-Schule in Köpenick geht auch nach den Osterferien weiter. „Unser Konzept wurde vom Senat akzeptiert. Somit ist der Schulbetrieb nicht gefährdet“, sagte Peter Schneider vom Schulträger der Privatschule gestern der taz. Wegen chaotischer Zustände und Unterrichtsausfall hatte der Senat der Schule gedroht, ihr die Genehmigung zu entziehen – so etwas hatte es bisher bei einer Berliner Schule noch nicht gegeben.

Vorausgegangen waren heftige Auseinandersetzungen an der Schule. So habe der Religionslehrer, der laut Auskunft von Eltern in der Schule das Sagen hatte, diese geführt „wie ein Guru eine Sekte“, sagte Horst von Dabrowski vom Elternverein der Schule der taz. Die Polizei ermittelt wegen tätlicher Übergriffe eines Lehrers. Die Folge: Der Elternverein als Schulträger kündigte Anfang März dem Lehrerverein den Vertrag und erteilte allen Lehrern Hausverbot. Die Schule war dann neun Tage geschlossen, auf die Schnelle wurden neue Lehrer eingestellt.

Die Senatsbildungsverwaltung hatte der Schule eine Frist bis vergangene Woche gesetzt, Daten über die Qualifikation der neuen Lehrer und über die Stundentafel nachzureichen. Andernfalls würde die Genehmigung entzogen. Gestern gab die Schulverwaltung prinzipiell grünes Licht: „Derzeit fehlen der Schule noch Fachlehrer. Sie hat bis Ende der Osterferien Zeit, das zu ändern“, sagte eine Sprecherin.

Doch die Novalis-Schule kämpft noch mit anderen Problemen. Von mehr als 200 Schülern zu Schuljahresbeginn sind nach Angaben des Schulträgers nur 140 übrig geblieben. Irina Dawydowa, Mutter einer Drittklässlerin, geht sogar davon aus, dass es noch „deutlich weniger“ sind. Mit den Abmeldungen werden der Privatschule auch die Gelder vom Land gekürzt. Weitere Schüler, insbesondere aus den oberen Klassen, wollten bereits in staatliche Schulen wechseln. Sie haben allerdings bisher keine Plätze bekommen.

Hintergrund für den Exodus ist das geringe Niveau der Privatschule. Nach zwölf Schuljahren sollen die Schüler den mittleren Schulabschluss ablegen, der an staatlichen Schulen nach der zehnten Klasse Standard ist. Im Dezember wurde noch versprochen, dass auch das Abitur möglich sein sollte. Insider gehen jedoch davon aus, dass nur die leistungsstarken Zwölftklässler die Prüfung schaffen. Hintergrund sei häufiger Unterrichtsausfall und nicht fachgerechter Unterricht in den vergangenen Jahren.

36 Eltern, die den alten Lehrern die Treue halten, haben inzwischen einen neuen Verein, „Eltern pro Novalis“, gegründet. Sie wollen eine neue Schule in Berlin oder Brandenburg gründen. In Brandenburg wäre das nach Angaben von Bildungsministeriumssprecher Stefan Breiding frühestens 2009 möglich.

Der Schulträger erhebt inzwischen Vorwürfe gegen die alten Lehrer und den neuen Verein. Jeden Tag, so Peter Schneider vom Schulträger, stünden die entlassenen Lehrer vor der Schule und würden ihre ehemaligen Schüler verunsichern. Schneider vermutet zudem, dass Eltern ihre Kinder durch Krankschreibung der Schulpflicht entziehen und sie durch eine entlassene Lehrerin unterrichten lassen. „Dazu ist eine Strafanzeige in Arbeit“, sagt er. Stephan Pohl vom neuen Verein meint: „Das mit dem Entzug der Schulpflicht kann man so interpretieren. Von Privatunterricht weiß ich nichts.“

Die Landesarbeitsgemeinschaft der Waldorfschulen distanziert sich scharf von der Novalis-Schule, die laut Eigenwerbung, „nach der anthroposophischen Lehre Rudolf Steiners ausgerichtet“ war. Detlef Hardorp von der Landesarbeitsgemeinschaft: „Das ist falsch. Rudolf Steiner darf wegen Namensschutz als Bezeichnung nur von Schulen verwendet werden, die mit dem Bund der Freien Waldorfschulen zusammenarbeiten.“ Das hätte die Novalis-Schule nie getan.