: Der letzte Boykott-Versuch
In Hamburg startete gestern an fünf Hochschulen eine Kampagne zum Gebührenboykott. Die Aktivisten glauben, dass die Chancen besser stehen als an anderen Hochschulstandorten
von KAIJA KUTTER
Frederik Dehnerdt vom „Aktionsbündnis gegen Studiengebühren“ ist sich sicher: „Das Instrument des Boykotts hat sich bewährt.“ Insgesamt 20.000 Studierende hätten sich bislang an der bundesweiten Studiengebühren-Boykott-Aktion beteiligt und die geforderten 500 Euro auf ein Treuhandkonto eingezahlt.
Doch an keiner Uni, weder in Hannover, noch in Hildeheim, noch in Osnabrück oder Oldenburg kam in den Wintermonaten das erforderliche „Quorum“ der Studierenden zusammen, um wirklich Ernst zu machen. Der Plan war, das Geld auf einem Konto zu lagern und damit zu pokern, dass die Politik es nicht zulassen würde, dass die Hochschulen Zigtausende Studenten exmatrikulieren. Einzig in Karlsruhe wurde das Quorum „geknackt“. Doch dies sei „zu wenig“ gewesen, sagt Dehnerdt. Die Studenten in Karlsruhe wären als „Bauernopfer in Hinblick auf Hamburg exmatrikuliert“ worden.
Alle Hoffnungen der Boykott-Szene ruhen jetzt auf Hamburg. Der Stadtstaat ist eines von sieben Ländern, die jetzt Gebühren einführen, hat aber mit der Vorbereitung etwas geschludert, so dass der Überweisungstermin erst auf Mitte Juni fällt. Deshalb sind die rund 60.000 Studierenden jetzt noch mit der üblichen Semestergebühr immatrikuliert, die Überweisung der Studiengebühr ist ein davon abgetrennter Verwaltungsakt. „Das erhöht die Erfolgschancen“, sagt Eric Lautenz vom Boykott-Komitee der Technischen Uni-Harburg .
Die Kampagne ist perfekt organisiert. An allen fünf Hochschulen, der großen Uni Hamburg (38.893 Studierende), der TU Harburg (4.500 Studierende), der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (12.000 Studierende), der Hochschule für bildende Künste (1.177 Studierende) und der HafenCity Univesität (1.500 Studierende) wurden extra Vereine „zur Förderung eines gebührenfreien Studiums“ gegründet, die ein Treuhandkonto eingerichtet haben. Kommt an der jeweiligen Hochschule bis zum 8. Juni das Quorum von etwa einem Drittel zusammen zusammen, bleibt das Geld auf dem Konto. „Dann treten wir mit dem Senat in Verhandlungen“, sagt Philipp Poppwitz vom „Verein“ der Uni Hamburg. Ziel sei, den Senat zur Rücknahme des Gebührengesetzes zu bewegen.
Sollte das Quorum nicht erreicht werden, würde wie andernorts termingerecht überwiesen. „Ganz ohne Risiko ist das nie“, sagt Rechtsanwalt Martin Klinger, der die Studierenden berät. Es gebe aber zunächst noch mehrwöchige Mahnfristen, bevor eine Universität zur Exmatrikulation schreiten dürfe. Nach Auffassung einiger Hochschuljuristen wäre eine Exmatrikulation erst Ende September möglich. Auch könne jeder Teilnehmer jederzeit entscheiden, dass er die Gebühr doch lieber überweisen möchte.
Während die Oppositionparteien in der Hamburger Bürgerschaft den Boykott zu riskant finden, wird er von der Bildungsgewerkschaft GEW und vom DGB „ausdrücklich unterstützt“, wie Hamburgs GEW-Vorsitzender Klaus Bullan gestern erklärte. Deutschland habe schon jetzt zu wenig Studierende. Auch wenn es Darlehen gebe, schrecke die Gebühr vor allen Ärmere ab, sagte Bullan, „während die, die finanziell schon immer gut gepuffert waren, das Lachen haben“. Bullan verwies darauf, dass die heiße Phase des Boykotts mit dem Beginn des Hamburger Wahlkampfes zusammenfalle. Es sei unwahrscheinlich, dass Wissenschaftssenator Jörg Dräger in dieser Situation 10.000 Studierende exmatrikuliere.
Dräger hatte den Boykotteuren im Januar eben damit gedroht. „Daran hat sich nicht verändert“, sagt seine Sprecherin Sabine Neumann. „Im Gesetz steht, dass der, der die Gebühren nicht zahlt, exmatrikuliert werden kann.“ Ob diese Worte wirken, wird sich Ende April zeigen. Dann geben die Vereine erste „Wasserstandsmeldungen“ bekannt.