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Valencia feiert große Erfolge mit noch größeren Auseinandersetzungen: prügelnde Spieler, zankende Funktionäre. Heute spielt der Verein im Viertelfinale der Champions League gegen den FC Chelsea

„Niemals habe ich so viel Unheil erlebt wie bei uns“

AUS VALENCIA RONALD RENG

Auf dem Trainingsgelände des Champions-League-Viertelfinalisten FC Valencia ist an diesem Morgen viel von „einem echten Profi“ die Rede. Ein höheres Kompliment haben Fußballer kaum zu vergeben, aber die Ehrfurcht fehlt in den Worten von Torwarttrainer Emilio Álvarez. Es war ein echter Profi, der Álvarez’ Auto aufbrach und seinen Laptop stahl. Der Computer war sein sportliches Gedächtnis: Datenbanken über alle möglichen Spitzentorhüter, gegnerische Elfmeterschützen, Trainingsübungen – alles weg.

Und während Álvarez an jenem Morgen vor einigen Wochen ein Interview gab („Verehrter Dieb, wenn Sie den Computer zurückbringen, lade ich Sie ein Jahr lang zum Fußball in Valencia ein“), ging der böse Witz um: Es wird doch niemand aus dem eigenen Verein gewesen sein? Schließlich hatte Valencias Präsident Juan Soler kurz zuvor die kritisierten Spielerkäufe des neuen Sportdirektors Amedeo Carboni damit verteidigt, Carbonis Vorgänger hätte aus Rache für seine Entlassung die Datenbank der Scoutingabteilung gelöscht.

Harmonie ist ein Fremdwort in Valencia. Dieser Verein, der heute im Champions-League-Viertelfinale seinen Ruf als größtes Ärgernis für Favoriten am englischen Meister FC Chelsea testet, feiert große Erfolge mit noch größeren Streitereien. In diesem Jahrzehnt wurde Valencia bereits zweimal spanischer Meister, gewann 2004 den Uefa-Cup, erreichte zweimal das Champions-League-Finale und mischt zur Zeit im Titelkampf der Primera División mit. Der Ärger hört unterdessen nie auf.

Die Massenschlägerei mit den Spielern von Inter Mailand nach dem Champions-League-Achtelfinale wurde weltweit zum Bild für Valencias paradoxes Innenleben. „Du denkst, jemand hätte uns mit schwarzer Magie verwunschen“, sagte Mannschaftskapitän David Albelda. „Niemals habe ich so viel Unheil erlebt wie bei uns.“ Der Machtkampf zwischen Trainer Quique Flores und Sportdirektor Carboni ist die Mutter aller schlechten Laune in Valencia. So wurde sogar der Stuttgarter Nationaltorwart Timo Hildebrand unversehens in diese Seifenoper gezogen.

Hildebrand kündigte im Winter an, den VfB Stuttgart zu verlassen. Er hatte ein tolles Angebot von Sportdirektor Carboni erhalten. Was Hildebrand nicht wusste, ist, dass Carboni Spieler oft gegen den Willen von Trainer Quique verpflichtet. Was Hildebrand vielleicht wissen sollte, ist, wie Quique mit diesen Spielern umgeht: Der Italiener Francesco Tavano war Carbonis Vorzeigetransfer dieser Saison, zehn Millionen Euro überwies Valencia an Empoli für den Stürmer. Das macht eine Million für alle sieben Minuten, die Quique ihn spielen ließ: 70 Minuten in der ganzen Hinrunde. Dann wechselte Tavano entnervt zum AS Rom. Präsident Soler steht grundsätzlich auf der Seite von Carboni, die Mannschaft hält zum Trainer, doch die Fronten sind weich. Kaum war Carbonis Angebot für Hildebrand öffentlich geworden, da verlängerte Präsident Soler eigenhändig den Vertrag von Quiques Vertrauenstorwart, dem populären, bereits 37-jährigen Santiago Cañizares bis 2009. Falls Hildebrand noch nach Valencia will, sollte er zumindest in Betracht ziehen, dass er die Ersatzbank gut kennen lernen könnte.

„Es wird Zeit, sich wie Erwachsene zu benehmen“, sagte Kapitän Albelda. Kurz zuvor wollte Carboni in der Halbzeit gegen Bilbao in die Umkleide marschieren, Quiques Trainerstab hinderte ihn daran. Dann gab Weltklasseverteidiger Fabián Ayala seinen Wechsel zum FC Villarreal bekannt. Als daraufhin die Wände in seiner Straße mit Schmähungen beschmiert waren, behauptete Ayala, Carboni habe Hooligans dazu beauftragt. Cañizares ließ dazu wissen, Carboni sei früher mit Pistole zum Training erschienen. Es sind nur einige Beispiele des ewigen Ärgers. Der Klub ist mit 120 Millionen Euro verschuldet, die Elf leidet dieses Jahr an einer atemberaubenden Verletzungsseuche. Und während all dem siegt Valencia weiter, eine taktisch fantastische Elf. Einer will das offensichtlich aber nicht sehen: Der Computerdieb hat sich nicht gemeldet.