: Was man dürfen darf
Über Eisbär Knut lachen? Mit Kurt Beck Frieden schließen? Sich über einen toten Nazi freuen? Mit solchen und anderen Fragen sind Sie ab jetzt nicht mehr allein: Künftig hilft der taz-zwei-Ethikrat
1. Darf man über Knut lachen?
Niemals. Man macht sich vielleicht über Mütter lustig, über Kinder und Alte, aber auf keinen Fall über anmutige Zooinsassen. Unsere Gefühle sind mit ihnen. Knut ist das Übungsobjekt, mit dem wir lernen, gut zu sein zu Tieren und Menschen, Einsamkeit auszuhalten. Wenn böse Menschen nun sogar einen Burger McKnut nennen, dann ist das menschenverachtend. Auch das Spiel „Moorknut“ ist fies und gemein – und verrät die mächtige Herzlosigkeit seiner Erfinder.
2. Darf man eine Friedenskonferenz mit den Taliban vorschlagen?
Vorschlagen kann man ja so manches. Gilt generell. Vor allem aber dann, wenn man Kurt Beck heißt und, fern von Afghanistan, in der gemütlichen Pfalz menschenfreundliche Ideen ausbrütet. Bei Lichte betrachtet aber würde dieser Vorschlag bedeuten, des Gegners eine Wange zu streicheln, während man die andere ohrfeigt. Gemein. Sind denn die Taliban nicht auch nur Menschen wie du und ich und Kurt Beck? Menschen, die einfach nur in Ruhe ihre Frauen beschneiden, unersetzliche Denkmäler sprengen, Mohn ernten und Musikfreunde aufknüpfen wollen? Nein, sind sie nicht.
3. Dürfen die Tornado-Piloten mit „Spongebob“ als Maskottchen in den Einsatz fliegen?
Sie dürfen nicht nur, sie müssen! Ferner sei gefordert, das „Geschwader Immelmann“ auf der Stelle umzutaufen in „Geschwader Schwammkopf“. Mit einer kindischen Cartoonfigur macht man sich beim Feind mehr Freunde als mit Max Immelmann, dem „Adler von Lille“, abgestürzt am 18. Juni 1916 über Flandern, die Flasche.
4. Darf man in internationalen Wettbewerben als Nichtfan des FC Bayern für Bayern sein?
Auf keinen Fall. Wer den Unterhaltungsbereich Bundesliga darüber definiert, gegen Bayern zu sein, kann nicht damit argumentieren, in europäischen Wettbewerben sei man halt für das deutsche Team. Oder gar mit den deutschen Interessen in der Fünfjahreswertung der Uefa argumentieren. Das ist ein anachronistisch-nationalstaatliches Denken, das dem europäischen Gedanken ganz und gar nicht gerecht wird. Das auch all denen, die sich die Champions League nur ansehen, wenn ein deutsches Team spielt. Das ist out. Wer sich beim Training der F-Jugend die Trikots der Kinder ansieht, der findet: Arsenal, Barca, ManU, Inter, Chelsea, Milan, sogar Paris St. Germain. Der europäische Lieblingsklub ist dort längst Gegenwart.
5. Darf man einem weißen Gärtner in den Arsch treten, oder ist das auch rassistisch?
Der ehemalige belgische Extorwart Jean-Marie Pfaff, in den 80er-Jahren bei Bayern München unter Vertrag, hat einen schwarzen Gärtner in den Hintern getreten und sieht sich nun mit Rassismusvorwürfen konfrontiert. Nach deutschem Strafrecht würde es sich zunächst um eine leichte Körperverletzung handeln. Und nach einem Urteil des LAG Düsseldorf von 1998 handelt es sich bei einem solchen Schritt keinesfalls um eine opportune Form der Mitarbeitermotivation. Dies gilt sowohl für schwarze als auch weiße Mitarbeiter. Rassismus bezeichnet wiederum jede Theorie und Praxis, die Menschen aufgrund realer körperlicher Merkmale (z. B. Hautfarbe) mit Werturteilen versehene Eigenschaften und einen unterschiedlichen Status zuteilen. Auch wenn man seinem weißen Gärtner in den Hintern tritt, weil er ein rassistischer Arsch ist, ist dies nicht zulässig.
6. Darf man sich freuen, wenn ein alter Nazi stirbt, auch wenn es Menschen gibt, die ihn als Vater, Großvater oder Landesvater betrauern?
Ja. Man darf sich freuen. Er ist nicht ermordet worden. Er ist nicht zum Tode verurteilt worden. Er hat nach dem Krieg Karriere gemacht und einen ruhigen Lebensabend gehabt. Dann ist der Mann gestorben, mit 93 Jahren. Wie alt hätte er denn noch werden sollen? Und nein, auch öffentlich geäußerte Freude über seinen Tod ist moralisch nicht vergleichbar mit dem, was Hans Filbinger als junger Jurist getan hat. Gehen Sie übrigens auch weg mit Ihrem „Über die Toten nichts als Gutes“, das ist Quatsch. Man darf sich freuen über Filbingers Tod. Ebenfalls angemessen ist ein stiller Grimm darüber, dass er zu Lebzeiten viel zu gut davongekommen ist. Am besten aber: keinerlei Gefühl angesichts seinesgleichen, deren man hoffentlich nie wieder ansichtig wird. Fragen? tazzwei@taz.de