: Gaddafi-Sohn offenbar getötet
LIBYEN Der Machthaber überlebt einen Angriff auf Haus in Tripolis. Nato-Angaben zufolge war eine Kommandozentrale das Ziel. Regimetruppen greifen erneut Misurata an
TRIPOLIS dapd | Der libysche Machthaber Muammar al-Gaddafi hat einen Raketenangriff der Nato überlebt, bei dem laut seinem Sprecher sein jüngster Sohn sowie drei Enkel getötet wurden. Gaddafi selbst sei nicht verletzt worden, sagte Regierungssprecher Mussa Ibrahim. Die Nato bestätigte am Sonntag zwar einen Angriff auf ein libysches Regierungsgebäude in Tripolis, nicht aber den Tod von Seif al-Arab Gaddafi. Ziel des Präzisionsangriffs seien eine militärische Kommandozentrale und ein Kontrollgebäude gewesen, sagte Nato-Sprecherin Carmen Romero in Brüssel.
Muammar al-Gaddafi und seine Frau hätten sich in Tripolis im Haus des 29-jährigen Saif al-Arab Gaddafi aufgehalten, als dieses von mindestens einer Rakete, abgefeuert von einem Nato-Flugzeug, getroffen worden sei, sagte Sprecher Mussa Ibrahim. Mehrere Journalisten wurden zu einem ummauerten Gebäudekomplex in einem Wohngebiet in Tripolis gebracht, wo sie schwere Bombenschäden vorfanden. Nach dem Angriff war schweres Geschützfeuer in der Stadt zu hören.
Die Namen der drei getöteten Kinder wollte Ibrahim nicht nennen, um die Privatsphäre der Familie zu schützen. Ibrahim sagte lediglich, dass es sich um Nichten und Neffen von Seif al-Arab gehandelt habe und alle jünger als zwölf Jahre gewesen seien. Der Angriff habe gegen internationales Recht verstoßen, sagte Ibrahim. Der britische Premierminister David Cameron sagte dagegen, der Angriff habe im Einklang mit dem UN-Mandat gestanden.
Der Angriff vom Samstag ereignete sich nur Stunden nachdem sich Staatschef Gaddafi erneut für eine Waffenruhe und Gespräche mit den Nato-Mächten ausgesprochen hatte. Gaddafi erklärte in einer vom Staatsfernsehen ausgestrahlten Rede, die Tür zum Frieden stehe offen. Die Nato lehnte die Forderungen ab und erklärte, sie wolle Taten des Regimes sehen.
In der seit Wochen von Gaddafis Soldaten belagerten Stadt Misurata reagierten die Rebellen mit Hupkonzerten und „Gott ist groß“-Rufen auf die Nachricht vom Tod des Gaddafi-Sohnes. Die Stadt wird seit zwei Monaten von den Truppen Gaddafis beschossen, Hunderte Menschen sind bereits getötet worden. Am Sonntag beschossen Gaddafis Truppen den Hafen nach Angaben eines Augenzeugen erneut, während die Ladung eines maltesischen Schiffs mit Hilfslieferungen gelöscht wurde. Das Schiff sei rasch wieder in See gestochen. Die belagerte Stadt ist auf Hilfslieferungen über den Seeweg angewiesen.
Gaddafi schloss während seiner mehr als eine Stunde dauernden Rede am Samstag einen Rücktritt weiter aus. Die libysche Bevölkerung könne das politische System im Land frei wählen, erklärte der Machthaber. Bedroht von Bombardements sei das aber nicht möglich. „Warum tötet ihr unsere Kinder? Warum zerstört ihr unsere Infrastruktur?“, fragte Gaddafi. Berichte, nach denen seine Truppen Zivilpersonen getötet hatten, wies er zurück.
Führer der Aufständischen hatten zuvor erklärt, sie würden ihre Waffen nur dann niederlegen und Verhandlungen aufnehmen, wenn Gaddafi und seine Söhne zurückträten.