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Archiv-Artikel

Probleme im Vorzeige-AKW

ATOMKRAFT Im AKW Grohnde ist ein Brennelement kaputt. In der Folge ist die Radioaktivität im Kühlwasser angestiegen. Das japanische AKW Tsuruga II wurde wegen eines ähnlichen Problems heruntergefahren

Wann und warum der Brennstabschaden entstanden ist, muss noch geklärt werden

Das AKW Grohnde an der Weser gilt als vergleichsweise zuverlässig. Nach Angaben des Betreibers Eon gehörte es 2010 mit einer erzeugten Strommenge von 11,42 Milliarden Kilowattstunden sogar zu den „Top Ten der produktivsten Atomkraftwerke weltweit“.

Am Montag kündigte Eon die Abschaltung des Meilers zum Brennelementwechsel und zur jährlichen Revision an. „Das Revisionsprogramm umfasst circa 1.000 zum Teil sehr umfangreiche Prüfungen und zahlreiche Inspektions- und Instandhaltungsarbeiten“, hieß es in der Mitteilung des Energiekonzerns.

Zeitgleich meldete sich das niedersächsische Umweltministerium zu Wort. Zu den Arbeiten in Grohnde zähle auch die „Inspektion von Kernbauteilen, da die Aktivitätswerte des Kühlmittels einen Brennstabschaden in einem Brennelement anzeigen“, sagte eine Sprecherin. Im Klartext: im Vorzeige-AKW ist mindestens ein Brennelement kaputt und die Radioaktivität im Kühlwasser ist deshalb angestiegen.

Atomkraftgegner wurden hellhörig. Das niedersächsische Jugendumweltnetzwerk forderte am Mittwoch vom Umweltministerium „Aufklärung, wie hoch das Kühlmittel kontaminiert ist“ und „durch welche radioaktiven Substanzen“. Netzwerk-Sprecher Tobias Darge sagte, es müsse außerdem geklärt werden, wann und warum der Brennstabschaden entstanden sei und ob auch andere der insgesamt 193 Brennelemente undicht seien.

Vom japanischen AKW Tsuruga II war am Dienstag ein ähnlicher Vorfall bekannt geworden. Auch dort wurde nach einem mutmaßlichen Brennelementschaden erhöhte Radioaktivität im Kühlwasser festgestellt. Der Betreiber Japco fuhr das AKW sofort herunter.

„Warum werden solche Probleme von Eon und Aufsichtsbehörden offenbar über Wochen oder Monate verschwiegen, während in Japan der Meiler gleich vom Netz genommen wird?“, fragt Darge und verweist auf die Parallelen der beiden Anlagen. Beide Atomkraftwerke sind mit Druckwasserreaktoren ausgestattet und nahezu baugleich, beide gingen innerhalb weniger Monate in Betrieb: Grohnde 1985, Tsuruga II ein Jahr später.

REIMAR PAUL