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Archiv-Artikel

Es muss nicht immer Finesse sein

KRISE Nach dem 1:4 bei entfesselten Gladbachern, die ihre neue Offensivkraft bejubeln, suchen die ersatzgeschwächten Schalker nach Gründen für ihre Misere. Klaas-Jan Huntelaar glaubt, „es ist einfach alles“

Das formidable Gladbacher Duo Max Kruse und Raffael wird mit André Hahn zum noch formidableren Trio

AUS MÖNCHENGLADBACH DANIEL THEWELEIT

Eigentlich wird die Geradlinigkeit des Klaas-Jan Huntelaar auf Schalke bewundert und verehrt. Der Stürmer betreibt seine Hauptaufgabe, das Toreschießen, mit einer Konsequenz, wie kaum ein anderer Stürmer in der Bundesliga. Ball her, zack drin. Am Samstagabend jedoch ging es Manager Horst Heldt ein bisschen zu weit mit der schonungslosen Art des Holländers. Huntelaar, der während der 1:4-Niederlage bei Borussia Mönchengladbach infolge eines Infekts eine Stunde lang auf der Bank gesessen hatte, trat vor die Journalisten und formulierte Sätze, die so trocken einschlugen, wie ein satter Fernschuss in den Winkel.

Wären die Gladbacher weniger verschwenderisch mit ihren zahllosen Großchancen umgegangen, hätten „die auch vielleicht zehn Stück machen“ können, sagte Huntelaar und fuhr fort: „Es wird Zeit, dass wir das endlich ändern, es nervt.“ Nach dem Aus im Pokal gegen den Drittligisten Dynamo Dresden und nur einem Punkt aus den ersten drei Bundesligaspielen, nimmt der Krisenzug Fahrt auf. „Man muss sicher reden und einen Plan haben“, um die bunte Melange der Fehlerhaftigkeit in den Griff zu bekommen, sagte Huntelaar, und auf die Frage nach den Gründen für die vielen Probleme, erwiderte er: Das sei „nicht mit einer Sache zu erklären, es ist einfach alles.“ Einfach alles also. Das klingt schlimm.

Wenige Minuten später erschien dann Heldt und konnte seinen Ärger über den Rundumschlag des Fußballers nicht verbergen. Diese Offenheit sei „super“, sagte er voller Ironie, „es sollte nur der richtige Rahmen sein“. Also nicht die Mixed Zone eines Stadions, sondern die interne Nachbesprechung. Und als am Abend auf der Facebook-Seite des Mittelfeldspielers Tranquillo Barnetta auch noch zu lesen war, „3 Wechsel, kein Quillo! Na dann: hopp Gladbach“, war das Schalker Chaos-Gemälde für dieses Wochenende perfekt.

Barnetta stellte schnell klar, dass sein Facebook-Auftritt „von einem Freund“ gepflegt werde, „leider hat dieser während der Partie in Mönchengladbach aus der Emotion heraus einen Beitrag veröffentlicht, der zu Verwirrung geführt hat“. Dass der FC Schalke mit einer improvisierten Rumpftruppe eigentlich eine ganz gute erst Halbzeit hinbekommen hatte, interessierte längst niemanden mehr.

Am Mittwoch spielen die Gelsenkirchener nun gegen den FC Chelsea, „Augen zu und durch“, lautet Heldts Motto für diese Partie, die die Mannschaft noch verlieren darf. Aber spätestens mit den Duellen gegen Eintracht Frankfurt am nächsten Samstag und in Bremen am darauf folgenden Dienstag müssen Punkte eingespielt werden. Wobei auch diese Spiele angesichts des sagenhaften Verletzungspechs (gegen Chelsea könnten auch noch Aogo und Fuchs ausfallen) wie höchst komplexe Herausforderungen erscheinen.

Gladbachs Duo Max Kruse/Raffael dagegen harmonierte im ersten gemeinsamen Pflichtspiel der neuen Saison großartig. Und wurde mit dem Hochgeschwindigkeitselement André Hahn zu einem fantastischen Offensivtrio erweitert. Der Neuzugang aus Augsburg steuerte die ersten beiden Treffer bei, fünf Tore sind ihm nun in sechs Pflichtspielen gelungen, vier Mal traf er zum 1:0. „Das ist André Hahn, wie er leibt und lebt. Ein Spieler, dem vielleicht die Finesse fehlt, der aber mit unglaublich viel Herz und Engagement, mit unglaublich viel Willen arbeitet“, sagte Sportdirektor Max Eberl.

Kruse und Raffael brachten zwar im Vorjahr nach ihrer Ankunft am Niederrhein fußballerische Brillanz und Ideenreichtum mit, doch erst Hahn fügt das auf höchstem Niveau unverzichtbare Hochgeschwindigkeitselement hinzu. Der Doppeltorschütze ist ein weiteres Beispiel für die kluge Transferpolitik von Eberl und Trainer Lucien Favre, die im Gegensatz zu den Schalker Verantwortlichen auch von Raffaels Potenzial überzeugt waren. Der Brasilianer war vor seinem Wechsel nach Gladbach von Dynamo Kiew an den FC Schalke ausgeliehen, doch Heldt und Keller sahen von einer endgültigen Verpflichtung ab. Das war so etwas wie die bittere Pointe für den kriselnden Revierklub, dessen Chefstratege Kevin-Prince Boateng mal wieder eine große Enttäuschung gewesen ist.