: Ärger in der Flüchtlingskaserne
In einer ehemaligen Kaserne in Neumünster ist ein Teil der dort untergebrachten Flüchtlinge in den Hungerstreik getreten. Der Streit dreht sich um das Kantinenessen, um die Toiletten und die Enge in den Mehrbettzimmern
Gut 20 Frauen und Männer verweigern das Kantinenessen, sechs sind in den Hungerstreik getreten: Ein Jahr ist die Gemeinschaftsunterkunft für Ausländer in einer ehemaligen Kaserne in Neumünster alt, und die Stimmung dort ist schlecht, die Lage zwischen Angestellten und BewohnerInnen angespannt. „Ich wollte in der Cafeteria nur Kaffee trinken, aber ich wurde gleich wieder in mein Zimmer geschickt“, berichtete Rukiya Altun, Sprecherin der BewohnerInnen-Initiative, bei einem Pressegespräch. Ein anderer Bewohner erzählte, die Polizei, die ständig in der Kaserne präsent ist, hätte ihn in einer ähnlichen Situation über Nacht in eine Zelle gesperrt.
Viele Kleinigkeiten stören die rund 280 Menschen, die zurzeit auf dem Kasernengelände untergebracht sind: Es geht um das Essen, um die Toiletten und die Enge in den Mehrbettzimmern, um Langeweile, um Stempel, die regelmäßig erneuert werden müssen, weil sonst Taschengeldentzug droht. Fanny Dethloff, Flüchtlingsbeauftragte der Nordelbischen Kirche, fasste zusammen: „Die psychologische Belastung ist sehr hoch. Wir fordern daher, die Menschen dezentral unterzubringen.“ Es gehe um die Menschenwürde, vor allem für die Kinder, und um eine Chance auf Integration: „Wir brauchen ein System, das die Menschen nicht mürbe macht.“
Oft leben Asylsuchende jahrelang in Sammelunterkünften. Früher wurden sie nach einer gewissen Zeit auf einzelne Kommunen verteilt, heute wird ein Teil aus der ersten Sammelstelle in Lübeck gleich nach Neumünster verlegt. Verbände wie der Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein haben von Anfang an gegen die Gemeinschaftsunterkunft protestiert: „Wer dezentral untergebracht ist, bekommt leichter Verbindung zu Beratungsstellen und Landsleuten, findet vielleicht auch Arbeit“, sagt Martin Link vom Flüchtlingsrat.
Eben das ist aber nicht mehr gewollt: Erklärtes Ziel des Innenministeriums ist, den Menschen, deren Abschiebung wahrscheinlich ist, keine Integration zu erlauben. Innenminister Ralf Stegner argumentiert, es wäre grausam, jemanden jahrelang zu integrieren, um ihn dann wegzuschicken. Die Flüchtlingsverbände sagen dagegen, dass viele Fälle noch gar nicht entschieden sind und einige durchaus eine Chance hätten zu bleiben. „Auf der einen Seite haben wir nun das Bleiberecht, das verlangt, dass Menschen Deutsch lernen und Arbeit finden, auf der anderen Seite leben sie jahrelang unter solchen Bedingungen, die krank machen“, sagt Fanny Dethloff.
In der Scholz-Kaserne befindet sich auch das Ausreisezentrum, in dem zurzeit rund 30 Personen auf ihre Abschiebung warten. Ihnen wird unter anderem vorgeworfen, nicht aktiv an ihrer Ausweisung mitzuarbeiten. Ein großer Erfolg für das Land sei dieses Zentrum nicht, sagte Link: Nur zwei Menschen seien in ihre Heimat zurückgekehrt. „Das Projekt rechnet sich nicht.“
Immerhin hat sich nun ein Runder Tisch mit VertreterInnen der Behörden, der Verbände und der BewohnerInnen gebildet. Dethloff hofft, dass sich dort einige der Probleme lösen lassen. „Vieles sind ja Gesetze, die das zuständige Landesamt umsetzen muss, aber einiges lässt sich auch anders regeln“, sagte sie. Beispiel: das Kantinenessen. „Es kann nicht so schwer sein, da etwas zu ändern oder den Menschen ein Mitspracherecht einzuräumen.“ ESTHER GEISSLINGER