„300“, ostertreffen etc.
: Schwarzes Leder, bebende Muskeln

Ums Schwulsein wird in Zack Snyders Comic-Adaption „300“ so viel Gewese gemacht, dass man meinen könnte, der Film spiele nicht auf dem Peloponnes, sondern auf einem Schulhof der Gegenwart, auf dem pubertierende Jungs sich beweisen müssen. Um sich ihrer Mannhaftigkeit zu versichern, verspotten die Spartiaten die Athener als „Knabenliebhaber“, und Xerxes, Inkarnation des Bösen und König der Perser, wird als effeminiert dargestellt. Trotz seiner riesenhaften Statur – er überragt den Anführer der Spartiaten um mehrere Haupteslängen – wirkt er grazil, sein Gesicht ist voller Piercings, die Augenbrauen hat er sorgfältig gezupft und die Lider mit Lidstrich verschönert. Es liegt auf der Hand, dass Snyder die Figur damit in Verruf bringen will, und im Iran hat seine Strategie prompt das gewünschte Ergebnis gezeitigt. Der Film sei eine klare Beleidigung aller Iraner, ließ der Kulturminister Hussein Safar Harandi letzte Woche in Teheran verlauten. Filmkritiker mühen sich unterdessen redlich, Snyders Werk wenigstens einen Hauch von subversivem Subtext abzugewinnen – ebenjenen Riss im protofaschistischen Gesamtentwurf, durch den sich abzeichnet: Selbst ein sepiagetönter Schlachtefilm wie „300“ hat Camp-Potenzial; selbst Zack Snyder wendet sich nolens volens gegen die eigenen Absichten, weil er das manichäische Weltbild von Gut (Sparta) und Böse (Persien) nicht aufrechterhalten kann.

Eine schöne Ironie ist, dass man diesen Riss findet, wenn man in der Aprilausgabe des queeren Berliner Magazins Siegessäule blättert. Zu Ostern treffen sich in Berlin Schwule, die auf Leder und sonstige Fetische stehen, und in der Siegessäule finden sich die dazu passenden Berichte, Anzeigen und Fotostrecken. Und was entdeckt man da? Eine frappierende Übereinstimmung zwischen der Ästhetik von „300“ und der des schwulen Ostertreffens. Nur dass nicht der androgyne Xerxes und seine Entourage Modell stehen, sondern die Spartiaten mit ihren wohl gestalteten Oberschenkeln, ihren Waschbrettbäuchen, ihren knapp sitzenden Slips und ihren Lederriemen, die die Muskulatur von Brust und Schulter zur Geltung bringen. Der britische Theoretiker Richard Dyer hat in der Essaysammlung „The Matter of Images“ schon 1993 bemerkt, wie sehr hypertrophe Virilität zum schwulen Selbstbild gehört und was für eine große Rolle dabei der macho man spielt, an dem sich eben auch „300“ berauscht. Bleibt nur mehr, den Gedanken in die umgekehrte Richtung zu denken – was sagt es über schwules Selbstverständnis, wenn es halbnackten und hypermilitarisierten Muskelpaketen aus Sparta nacheifert? CRISTINA NORD